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Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon

Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon

Titel: Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon
Autoren: Raymond Feist
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Augen fixierten einen Menschen in schwarzer Robe, der ihm gegenüber schwebte. Dieser andere wurde von geheimnisvollen Energieströmen getragen, die ein Gitter um ihn herum bildeten. Er schickte sein Bewußtsein an den Linien des Gitters entlang und meisterte die fremde Magie. Der in der schwarzen Robe saß da wie ein Spiegelbild des anderen, hatte ebenfalls die Handflächen nach außen gerichtet, doch seine Augen waren geschlossen. Er lernte. Nur mit dem Geist berührte er das Gebilde dieses alten Elbenzaubers, und er fühlte die miteinander verwobenen Kräfte jedes einzelnen Lebewesens im Wald, die vorsichtig aufgenommen und ausgerichtet, doch niemals gezwungen wurden, die Bedürfnisse dieser Gemeinschaft zu erfüllen. So benutzten die Magier ihre Kräfte: Behutsam, doch beständig, sponnen sie die Fasern dieser ewig natürlichen Energien zu einem Faden, den sie für ihre Zwecke verwenden konnten. Der in der schwarzen Robe berührte die Magie mit seinem Geist und erfuhr sie. Er erfuhr, wie seine Kräfte über jedes Ausmaß hinauswuchsen, das ein einfacher Mensch hätte begreifen können, wie sie im Vergleich zu dem, was er einst für die Grenzen seiner Begabung gehalten hatte, gottgleich wurden. Im vergangenen Jahr hatte er vieles gemeistert, trotzdem wußte er, daß er noch vieles lernen mußte. Immerhin gab ihm dieser Unterricht die Mittel an die Hand, andere Quellen des Wissens zu entdecken.
    Jetzt war er sich bewußt, jene Geheimnisse, die nur die größten Meister kannten - wie man allein durch Willensstärke zwischen den Welten hin und her wandelte, wie man sich in der Zeit bewegte, und wie man sogar dem Tod ein Schnippchen schlagen konnte -, all diese Geheimnisse konnte er aufdecken. Und da er nun dieses Wissen hatte, würde er eines Tages auch die Mittel finden, mit denen man diese Geheimnisse beherrschte. Wenn ihm genug Zeit gelassen würde. Zeit war das Entscheidende. Das Laub der Bäume raschelte wie ein Echo des fernen Unheilswindes. Der Mann in Schwarz richtete seine dunklen Augen auf das uralte Wesen, das vor ihm schwebte, und beide zogen sich aus dem Gitter zurück. Nur in Gedanken sagte der Mann in Schwarz: So bald, Acaila?
    Der andere lächelte, und die blassen, blauen Augen strahlten ein helles Licht aus, ein Licht, welches den Mann in Schwarz entsetzt hatte, als er es zum ersten Mal gesehen hatte. Nun wußte er, dieses Licht rührte von einer tiefen Kraft her, einer Kraft, die über alles hinausging, was er jemals bei einem Sterblichen wahrgenommen hatte. Doch es war eine andere Kraft, keine beeindruckende Macht, sondern eine wohltuende, heilende Kraft des Lebens, der Liebe und der Heiterkeit. Dieses Wesen lebte in wahrer Einheit mit allem, was es umgab. Wenn man in diese Augen sah, wurde man zu einem Ganzen und das Lächeln des Wesens spendete einen kaum faßbaren Trost. Dennoch waren die beiden beunruhigt, als sie jetzt langsam zu Boden sanken. Es war ein ganzes Jahr. Es hätte uns allen geholfen, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, aber leider vergeht die Zeit, wie sie will, und es mag sein, daß du bereit bist. Dann fügte er - in einer Art, die der Mann in der schwarzen Robe als Humor kennengelernt hatte - laut hinzu: »Aber bereit oder nicht, es ist an der Zeit.«
    Die anderen erhoben sich gemeinsam, und in der Stille eines Moments fühlte der in der schwarzen Robe, wie sich die anderen in seinem Bewußtsein vereinigten und ihm ein letztes Lebewohl sagten. Sie sandten ihn dorthin zurück, wo ein Krieg im Gange war, ein Krieg, in dem er eine entscheidende Rolle spielen sollte. Aber jetzt, als sie ihn zurückschickten, besaß er weit mehr als das, mit dem er gekommen war. Er spürte die letzte Berührung und sagte: »Ich danke Euch. Ich werde an einen Ort zurückkehren, von dem aus ich schnell nach Hause reisen kann.« Ohne weitere Worte schloß er die Augen und verschwand. Die Wesen im Kreis schwiegen einen Augenblick, dann ging jeder wieder an die Aufgäbe, die ihn oder sie erwartete. Das Laub in den Ästen blieb noch eine Weile ruhelos, und der Widerhall des fernen Unheilswindes ließ nur langsam nach.
     
    Der Unheilswind fegte weiter, bis er die Bergkuppe oberhalb eines fernen Tals erreichte, hinter der sich eine Gruppe Männer in gebückter Haltung versteckt hielt. Kurz warfen sie einen Blick gen Süden, als könnten sie so die Ursache dieses seltsamen, beunruhigenden Windes erfahren, dann beobachteten sie wieder die Ebene unter sich. Die beiden, die dem Grat am nächsten waren, hatten
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