Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc

Titel: Microsoft Word - Pelzer, Dave - Der verlorene Sohn.doc
Autoren: jojox
Vom Netzwerk:
Mutters Auto hinter mir. Ich ducke mich hinter ein Auto in der Nähe, kurz bevor mich die Scheinwerferkegel erfassen. Das Auto kriecht die Straße hinab. Das Geräusch von Mutters quietschenden Bremsen geht mir durch und durch. Sie sucht mich. Ich beginne zu keuchen. Ich kneife meine Augen zu, als ihre Scheinwerfer mir

    immer näher kommen, Zentimeter um Zentimeter. Ich warte auf das Geräusch, mit dem Mutters Auto plötzlich zum Stehen kommt. Dann wird sie aus dem Auto springen und mich in ihren Kombiwagen zerren. Ich zähle die Sekunden.
    Langsam öffne ich die Augen, wende den Kopf nach links, gerade noch rechtzeitig, um ihre Bremslichter aufleuchten zu sehen, ehe die Bremsen quietschen.
    Aus und vorbei! Sie hat mich gefunden! Irgendwie bin ich erleichtert. Ich wäre nie allein zum Fluss gekommen. Die 19

    Vorfreude war das Schönste. »Na, komm schon«, sage ich mir. »Komm schon! Mach endlich Ernst! Los, komm doch endlich!«
    Das Auto fährt an mir vorbei.
    Das ist doch nicht zu glauben! Ich springe hinter dem Auto auf und starre auf das leuchtende zweitürige Auto, das alle paar Sekunden abgebremst wird. Plötzlich wird mir ganz anders im Kopf Mein Magen verkrampft sich. Ein Flüssigkeitsschwall steigt mir die Kehle empor. Ich stolpere zu irgendeinem Rasenstück und versuche, mich zu übergeben. Doch es bleibt ein paar Sekunden lang bei trockenen Konvulsionen, weil mein Magen leer ist. Ich schaue auf zu den Sternen. Durch den Nebeldunst kann ich kleine Flächen klaren Himmels sehen. Über mir funkeln helle, silbrige Sterne. Ich versuche mich zu erinnern, wie lange ich schon so draußen bin. Ich atme ein paarmal tief ein.
    »Nein!«, schreie ich dann. »Ich werde nicht zurückgehen.
    Ich werde niemals zurückgehen! « Ich mache kehrt und gehe die Straße zurück, in Richtung Norden, zur Golden Gate Bridge. Nach ein paar Sekunden komme ich wieder an dem Auto vorbei, das jetzt bei irgendjemand in der Einfahrt geparkt ist. Oben auf der Treppe kann ich ein Paar sehen, das vom Gastgeber begrüßt wird. Durch die offene Tür dringt das Geräusch von Lachen und Musik. Ich frage mich, wie das wohl wäre, wenn man in einem
    Haus so willkommen geheißen würde. Als ich an einem anderen Haus vorbeikomme, steigt mir Essensgeruch in die Nase, und der Gedanke, etwas zu essen hinunterzuschlingen, will mir auf einmal nicht mehr aus dem Kopf. Es ist Samstagabend, und das heißt, dass ich seit Freitagmorgen in der Schule nichts mehr gegessen habe.
    Essen, denke ich mir, ich muss etwas zu essen finden.

    20

    Etwas später gehe ich zu meiner alten Kirche. Vor einigen Jahren hat Mutter meine beiden Brüder Ron und Stan und mich ein paar Wochen lang nachmittags zum Kindergottesdienst geschickt. Doch seit ich sieben bin, war ich nicht mehr in der Kirche. Vorsichtig öffne ich die Tür.
    Sofort kann ich spüren, wie die Wärme durch die Löcher in meiner Hose und durch mein T-Shirt kriecht, das dünn ist wie Papier. So leise ich kann, schließe ich die Tür hinter mir.
    Ich kann sehen, wie der Priester in den Kirchenbänken Bücher einsammelt. Ich verstecke mich neben der Tür und hoffe, dass er mich nicht sieht. Der Priester kommt immer weiter nach hinten und damit näher an mich heran. Ich würde ja so gerne bleiben, aber ... Ich schließe die Augen, versuche einen Augenblick lang Wärme aufzunehmen, ehe meine Hand wieder nach der Tür greift.
    Als ich wieder draußen bin, gehe ich über die Straße -
    dahin, wo ich eine Reihe Läden sehen kann. Vor einer Doughnut-Bäckerei mache ich Halt. An einem frühen Morgen vor vielen Jahren hat Vater hier mal angehalten, um einige Doughnuts zu holen, ehe er mit der Familie zum Russian River hinausfuhr. Damals, das war für mich eine zauberhafte Zeit. Jetzt starre ich durch die Scheiben, dann hinauf zu den dicken, lustigen, lebhaften Comicfiguren, die an die Wand gemalt wurden, um die verschiedenen Stadien der Doughnut-Herstellung zu zeigen.
    Von links strömt Pizzaduft auf mich ein. Ich wende den Kopf.
    Ich stolpere an ein paar Läden vorbei, bis ich vor einer Pizzabar stehe. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen.
    Ohne weiter nachzudenken, öffne ich die Tür und schleiche wie benommen ins Hintere des Raumes. Meine Augen benötigen ein paar Minuten, um sich anzupassen. Ich erkenne einen Billardtisch und höre das Geräusch von aneinander gestoßenen Bierkrügen und Gelächter. Ich 21

    spüre, dass ich von oben angestarrt werde, und halte in der hinteren Ecke der Bar an. Meine Augen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher