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Microsklaven

Microsklaven

Titel: Microsklaven
Autoren: Douglas Coupland
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Wochen habe ich so ganz beiläufig Leute, die ich kenne, nach ihren Visionen vom Jenseits gefragt. Direkt mit der Tür ins Haus fallen konnte ich nicht, denn, wie ich bereits sagte, man redet bei Microsoft nicht über den Tod. Die Ergebnisse waren ziemlich enttäuschend. Zehn Leute habe ich gefragt - und keine einzige Vision. Nicht ein Engel oder ein helles Licht, noch nicht mal ein einziges elendes Stückchen Grillkohle. Null.
    Todd machte sich mehr Gedanken darüber, wer zu seiner Beerdigung kommen würde.
    Bug Barbecue erzählte mir lauter deprimierendes Zeug: Die grundlegenden Elemente seiner Persönlichkeit seien vor seiner Geburt noch nicht vorhanden gewesen, also was scherte es ihn, was danach damit passiert?
    Susan wechselte einfach das Thema ( »Hey, ist Louis Gerstner nicht ein hoffnungsloser Fall?« ).
    M anchmal, in der Teeküche zwischen all den Mehrwegkästen voller Freigetränke, die Bill uns zur Verfügung stellt, frage ich mich, ob Microsofts Begeisterung fürs Recyceln von Aluminium, Plastik und Papier nicht vielleicht die Sublimierung des geheimen Wunsches der Mitarbeiter nach Unsterblichkeit ist. Oder womöglich ist auch das ganze Theater um Bill nichts anderes als der unterbewußte Drang, einen Gott aus ihm zu machen.
    N ach meinem Besuch bei Nintendo fuhr ich mit dem Mountainbike auf dem Campus umher und drückte mich so noch ein bißchen vor der Arbeit. Ich sah einen Haufen Deadheads, die auf dem Rasen westlich des Waldes nach Drogenpilzen suchten. Der Herbst steht vor der Tür.
    Die Bäume um den Campus herum verlieren ihre Blätter. Diesen Frühling und Sommer hatten wir seltsames Wetter. In der Zeitung steht, die Bäume seien ganz durcheinander und würden ihr Laub dieses Jahr früher abwerfen.
    T odd war draußen auf dem großen Rasen und trainierte mit dem Microsoft-Hallen-Frisbee-Team. Ich begrüßte sie. Alle sahen so jung und gesund aus. Mir fiel ein, daß Todd und seine Altersgenossen die erste Microsoft-Generation sind - die ersten Menschen, die die Welt ohne MS-DOS nicht mehr kennengelernt haben. Die Zeit bleibt nicht stehen. Außerdem sind sie die erste Generation von Microsoft-Mitarbeitern, die es mit niedrigeren Optionen zu tun haben und deshalb mit stagnierenden Aktienkursen. Das bedeutet wohl, daß sie nur noch einfache Angestellte sind wie in jeder anderen Firma auch. Bug Barbecue und ich haben uns letzte Woche gefragt, was passiert, wenn diese neue Mitarbeitergeneration das Ausgebranntsein erlebt, das jeden Programmierer nach sieben Jahren unweigerlich befällt. Dann werden sie keine zwei Millionen Dollar haben, mit denen sie nach Hilo ziehen und einen Laden für Anglerbedarf aufmachen können, wie es die alten Microsoftler gemacht haben. Schließlich kann nicht jeder ins Management aufsteigen.
    Entlassen.
    Denk dran. Du bist immer nur einen Lufthauch von einem Job im Telemarketing entfernt. Für jeden, den ich in der Firma kenne, gibt es eine geschätzte Beschäftigungsdauer, und keine ist länger als fünf Jahre. So zu leben wie mein Dad muß verrückt gewesen sein: in dem Glauben, daß sich die Firma bis ans Lebensende um einen kümmert.
    E in paar Minuten später traf ich auf Karla, die über den Rasen an der Westseite ging. Sie geht immer äußerst schnell, und sie ist sehr zierlich, wie ein kleines Kind.
    Es war seltsam für uns beide, uns außerhalb des Büros mit den graubeigefarbenen Wänden und dem austernfarbenen Teppichboden zu sehen. Wir setzten uns auf den Rasen und unterhielten uns eine Weile. Wie Verschwörer kamen wir uns vor, weil wir nicht drinnen waren, um uns um die Einhaltung der Deadline zu kümmern.
    Ich fragte sie, ob sie mit den Deadheads nach Pilzen suche, doch sie sagte, in ihrem Büro sei sie verrückt geworden, und sie habe nur ein paar Minuten draußen im Wald neben dem Campus frische Luft schnappen müssen. Mit so etwas hätte ich bei ihr nie gerechnet, ich meine, schließlich sieht sie aus wie ein Mäuschen, das sich immer in geschlossenen Räumen aufhält. Es war gut, sie einmal zu treffen, ohne daß sie mich gleich anschrie, ich solle ihr nicht auf die Nerven gehen. Wir haben ein halbes Jahr lang vielleicht zehn Büros voneinander entfernt gearbeitet und nie wirklich miteinander geredet. Ich zeigte Karla ein Stück Birkenborke, die ich von einem Baum vor Haus Neun abgezogen hatte, und sie zeigte mir ein paar scharlachrote Sumach-Blätter, die sie im Wald gefunden hatte. Ich erzählte ihr von dem Gespräch über Hunde und Katzen, das Marty,
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