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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar
Autoren: Marc Spitz
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Leserbriefen und ließen ihrer Entrüstung auch in Internetforen freien Lauf. »Vielleicht sollte er mal ein bisschen soziales Engagement zeigen. Wie wäre es mit ein paar Spenden für ledige Mütter?«, gab Charles Mosley vom britischen Adelsalmanach Burke’s Peerage, Baronetage & Knightage zu bedenken. »Das ist ein guter wohltätiger Zweck. Einer, der ihm gewiss sehr am Herzen liegt.«
    Und dann war da noch die Frage, was die Stones und all jene, die der Band nahestanden, über diese Angelegenheit dachten. Einige von ihnen wirkten irritiert, andere wiederum verwirrt, wie zum Beispiel Marshall Chess: »Mick hatte sich immer schon für den Adel und das Königshaus interessiert. Sir Mick zu werden, war sein größter Traum gewesen. Wer weiß, was er tun musste, um ihn sich zu erfüllen. An so was muss man zweifellos arbeiten.« Charlie Watts war beeindruckt davon, wie es Mick gelang, die hohen Tiere um den kleinen Finger zu wickeln, während er selbst ein Hallodri blieb wie eh und je. »Jeden anderen würden sie lynchen: Achtzehn Ehefrauen, zwanzig Kinder und er wird zum Ritter geschlagen. Fantastisch!«, amüsierte sich Watts. Die schärfste Kritik kam allerdings nicht aus den Reihen des britischen Establishments, sondern – wie sollte es auch anders sein – von Keith Richards. Er hatte seine Zeit im Gefängnis in Wormwood Scrubs 1967 weder vergessen noch dem Hohen Gericht je dafür vergeben. »In meinen Augen war es völlig daneben, sich mit diesem Establishment-Lametta schmücken zu lassen, wenn man bedenkt, dass sie einst alles daran gesetzt hatten, uns hinter Gitter zu bringen«, erklärte Richards in einem Interview mit dem Uncut -Magazin und fügte hinzu: »Ich habe Mick gesagt, dass das meiner Ansicht nach eine äußerst zweifelhafte Ehre ist. Das ist nicht das, wofür die Stones stehen.« Mick nahm diese Ehre allerdings wohl kaum an, um Keith zu ärgern; zu einem Teil tat er es gewiss, weil sein Vater Joe noch lebte. Micks Mutter Eva war im Jahr 2000 mit siebenundachtzig Jahren gestorben. Joe stand kurz vor seinem neunzigsten Geburtstag. Durch den Ritterschlag eröffnete sich Mick die Möglichkeit, seinen Vater und seine Kinder mit in den Palast zu nehmen. Er tat die bissigen Kommentare seines Bandkollegen als Beleidigungen eines Neidhammels ab. Journalisten gegenüber erklärte er: »Es ist, als bekäme man eine Tüte Eis – wenn einer eine bekommt, wollen gleich alle eine haben.« Tony Blair ließ er wissen, dass er die Auszeichnung mit Freuden annehmen werde, sobald er die Tour beendet habe. Es war entschieden: er würde Sir Mick werden.
    Letzten Endes unterscheiden sich Rebellion und Revolution durch die Art und Weise, wie sie durchgeführt werden, und durch die Art der Veränderungen, die erreicht werden, wobei Letztere zielorientierter ist und nachhaltigere Wirkungen entfaltet. Die Idee, das Establishment dorthin zu holen, wo man selber steht – sofern es denn das ist, was Mick getan hat –, ist durchaus lobenswert. So beeinflusst man das eigene Umfeld positiv, schafft die Voraussetzungen für Verbesserungen und entlarvt unrealistische Vorstellungen von idealen Herrschern und Helden, die einer genaueren Prüfung nicht standhalten können. Das war das Rock’n’Roll-Äquivalent zum Fortschritt.
    Man denke nur noch mal daran, welch ein Weg das war von Bill Clintons Erklärung, dass er nicht inhaliert hat, bis hin Barack Obamas Eingeständnis, dass er als junger Mann Hasch geraucht und auch schon mal Kokain probiert hat, wenn das Geld dafür gereicht habe. Nie wieder wird man einen Kandidaten der Präsidentschaft für unwürdig halten können, nur weil er einmal gekifft hat, als er jung und naiv war und einfach nur Spaß haben wollte. Seit dem Mittelalter, als die Ritter aufkamen, mussten sie sich vor allem durch eines auszuzeichnen: Ritterlichkeit. Was meinte der Verfasser von »Under My Thumb«, »Stupid Girl« und »Out of Time« dazu? »Ich glaube nicht, dass es das Establishment, so wie wir es gekannt haben, heute noch gibt«, stellte Mick fest, als man ihn drängte, sich zu der Frage zu äußern, welche Bedeutung die Ritterwürde im Kampf um die gerechte Sache hätte, für die Keith sich immer noch tagtäglich einsetzte. Als man ihm vorhielt, dass Keith seine Ehrung nicht glücklich machen würde, bemerkte er spitz: »Er ist einfach kein glücklicher Mensch.« Eine gute Frage wäre gewesen, worauf Keith überhaupt hätte neidisch sein sollen. Denn welche Bedeutung hat jemand wie Keith, wenn
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