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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt
Autoren: H. J. Alpers
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sich für wenige Sekunden der Himmel über ihm. Sein Cape bedeckt sich mit dünnen, schwarzen Rußflocken, die wohl aus irgendeinem Industrieschornstein bis hierher geweht worden sind. Norman Grün-124 betrachtet durch die Schutzbrille der Maske angeekelt seinen Überhang und beschleunigt seine Schritte. Er sieht manch anderes von Ruß geschwärzte Cape, bevor er endlich in der Sögestraße vor seinem Ziel steht.
    TRANSNORMA leuchten große rote Neonlettern über dem vergitterten Schaufenster, darunter kleinere „Institut für Sinnliche Wahrnehmung“. Norman drückt einen Finger auf den Knopf in der Tür, die zurückschwenkt und ihn in den Vorraum einläßt. Er muß einen Augenblick warten, da alle Duschkabinen besetzt sind, und läßt seinen Blick durch den Raum schweifen.
    Das sterile blauweiße Licht bricht sich kalt an den kachelartigen Hartplastwänden und dem von vielen Schuhen beschmutzten Boden. Er sieht noch mehr Leute in dem engen Raum warten. Schließlich leuchtet über der ihm am nächsten gelegenen Kabine das grüne Licht auf, welches ihm anzeigt, daß diese wieder frei ist, und er geht schnell darauf zu, bevor sich jemand von den anderen dazu entschließen kann. Außerdem hat er inzwischen ein Stück seines Capes freigewischt, so daß jeder das hindurchscheinende Grün erkennen kann. Grün gekleidete Beamten haben immer Vortritt!
    Die Tür der Duschkabine schließt sich hinter ihm, und gleich darauf strömt sechzig Grad heißes, mit Desinfektionsmitteln angereichertes Wasser über sein Cape und spült die öligen Schmutzpartikel herunter. Ein dreckiges Rinnsal verschwindet im Ausguß, während ihn schon ein Heißluftstrom einhüllt und trocken aus der Kabine entläßt.
    Er betritt einen von großen, an der Decke angebrachten Lumineszenzflächen in ein warmes, tageslichtähnliches Spektrum getauchten weiträumigen Saal, in dem Verkäufer und Kunden durcheinanderquirlen. Schon kommt einer der gelbgekleideten Verkäufer über den samtig-flauschigen Teppich, der an einen scheckigen, oft betretenen Rasen erinnert, auf ihn zu und ist ihm beim Abstreifen des sauberen Capes behilflich. Ehrerbietig schaut er auf Normans auf der linken Brust eingelassene Prioritätsnummer und fuhrt ihn dann zu einer der mit blauem Samt ausgeschlagenen Wandnischen. Nachdem er den Glitzervorhang wieder davorgeschoben hat, setzt er sich ihm gegenüber an einen schmalen Tisch.
    „Was kann ich für Sie tun?“
    „Ich hätte gerne eine neue Scheibe für meinen Sens-O-maten. Aber etwas Besonderes, etwas … äh … Geschlechtliches …“
    „Ah, ich verstehe. Sie haben eine Lizenz …?“
    „Ich bitte Sie, so was kann ich mir jederzeit selbst ausstellen!“
    Norman tippt sich bedeutungsvoll an sein Namensschild. Diesen Namen und diese Nummer trägt nur er. Den Namen hat der Computer für ihn ausgesucht, die Wertigkeit hat er sich erarbeitet.
    „Entschuldigen Sie, natürlich. Hier bitte, unser Angebotskatalog in diesem Bereich, außerdem das neueste Ergänzungsblatt.“
    Der Gelbling schlägt den Katalog vor Norman auf und deutet auf mehrere Artikel auf einem Extrablatt.
    „Diese hier sind besonders zu empfehlen. Sehr erregend, ganz ungewöhnliche Stellungen, exotisch.“
    Norman sieht ihn durchdringend an und fragt dann: „Selbst getestet? Haben Sie denn eine Lizenz?“
    Das Gesicht des Verkäufers nimmt die gleiche Farbe wie sein Overall an. Hastig verneint er. „Was man so von den Kunden hört, Sie verstehen. Und was so in der Werbung dazu steht.“
    Norman grinst in sich hinein. Welcher von diesen Verkäufern wäre schon so dumm, das Zeug nicht selbst auszuprobieren. Kostenlos und ohne Lizenz. Wer interessierte sich schon dafür, außer der StaPo – und wie sollte die das schon kontrollieren bei einem Verkäufer?
    Er entscheidet sich schließlich für „Orgie mit Meika“ und zwei andere vielversprechende Titel. Das würde ihn wieder auf andere Gedanken bringen heute abend.
     
    Norman ließ die Maluspunkte von seiner Kreditkarte abbuchen und stapfte dann, wieder in sein Cape gehüllt, zur nächsten R-Bahn-Station. Schüsselkorb leuchteten die blauen Neonbuchstaben unter dem großen R durch die Smogschwaden, die von der hereinbrechenden Nacht in ihrer verfinsternden Wirkung unterstützt wurden. Zusammen mit etwa einem Dutzend blau-, gelb- und graugekleideter Menschen, die ihm vorsichtig Platz machten, sank er in die Tiefe.
    Als er auf sein Chronometer sah, fiel ihm ein, daß um diese Zeit immer ein Rohrzug direkt in seine
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