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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt
Autoren: H. J. Alpers
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sollte es auch weiter bleiben.

 
Kai Schätzl
Das vergessene Glück
     
    Lichtpunkt Nummer zweiunddreißig glimmt in einem satten Orange auf – genau eine Sekunde lang –, erlischt dann, flammt nach einer halben Sekunde wieder für die Dauer von genau einer Sekunde in leuchtend orangefarbenem Licht auf. Nachdem sich dies zehnmal wiederholt hat, quillt aus einem Konsolenlautsprecher mit zäher, vocodermodulierter Computerstimme ein kurzer Satz: „Norman Grün-124, deine Arbeitszeit ist beendet.“
    Der hochaufgeschossene Mann, der an der weitflächigen, schreibtischähnlichen Konsole sitzt, blickt zum erstenmal von seiner Arbeit auf und schiebt den Schwenkarm mit der Computer-Tastatur, auf der er bis eben noch mit flinken Fingern gespielt hat, mitsamt dem Bildschirm etwas zur Seite, um besser auf den hinteren Rand der Konsole blicken zu können. Er beugt sich etwas vor und berührt dann mit dem Zeigefinger eine kleine, quadratisch markierte Fläche auf einem dort angelegten Sensorfeld. Er berührt das Klein-Quadrat, in dem durch eine dünne Plexiglaslinse hindurch eine Lumineszenzdiode immer noch einen orangefarben leuchtenden Countdown blinkt, das Klein-Quadrat, welches mit einer in Schwarz auf die metallisch funkelnde Grundfläche gestanzten ‚Zweiunddreißig’ markiert ist. Sobald er seine Hand zurückgezogen hat, erlischt das blinkende Leuchten, und der Konsolenlautsprecher erwacht mit einem scharfen Knacken: „Genehmigt, Norman Grün-124. Du kannst dreißig Minuten länger arbeiten.“
    Norman Grün-124, Verwaltungsangestellter beim staatlichen Amt für Bevölkerungsüberwachung, nickt schwach, zieht sich dann wieder das Computerterminal heran und vertieft sich in seine Arbeit. Flink huschen seine Finger über die Tastatur, und ebenso flink erscheinen und verschwinden Buchstaben, Worte, Ziffern, Sätze in hellem Blau auf dem matt rosafarben schimmernden Hintergrund des Monitors vor ihm. Nur bisweilen schaut er auf und stöbert in rechts und links verstreuten Blättern oder schiebt, um neue Daten ein- oder abzuspeichern, eine neue Floppy-Disk in einen der vier Konsolen-Schlitze des senkrecht in die Platte eingelassenen Diskettenlaufwerks.
    Als er wieder einmal aufblickt, um einen noch nicht angebrochenen Karton mit Speicherscheiben aus dem über ihm an der Wand, aber in Reichweite angebrachten Regal zu fischen, sieht er, daß die im Konsolenrahmen installierte Digital-Uhr schon 16.28 Uhr anzeigt. Weitere dreißig Minuten würde ihm der für die Gesundheit der Mitarbeiter zuständige Computer bestimmt nicht erlauben. Norman Grün-124 drückt also die notwendigen Tasten, um zu veranlassen, daß alles bisher erarbeitete Material abgespeichert wird, und steht dann auf. Er häuft die verstreuten Blätter zu zwei säuberlich aufgeschichteten Stapeln – Unordnung in seinem Büro würde ihn mindestens ein Prozent seiner monatlichen Bonuspunkte kosten – und schaltet dann, als auf dem Bildschirm das Abspeicherungssymbol erscheint, den Computer und die ganze Konsolenperipherie mit einem Fingertippen auf das Code-Schloß aus. Der Lautsprecher, unabhängig davon an den Zentralcomputer angeschlossen, bedeutet ihm: „Ende der verlängerten Arbeitszeit, Norman Grün-124.“
    Norman überschaut noch einmal den fünfzehn Quadratmeter ausfüllenden Büroraum, wendet sich um und stapft über den kurzflorigen Synthetik-Teppichboden, der in mattem Grün gehalten ist, auf den Ausgang zu. Als er noch einen halben Meter von der Türplatte entfernt ist, schiebt diese sich automatisch zur Seite und verschließt den Durchlaß genauso schnell und geräuschlos hinter ihm, als er auf dem hell erleuchteten Gang steht. Bevor er auf das in der Mitte verlaufende Förderband tritt, berührt er mit der ganzen Fläche seiner linken Hand das neben der Tür eingelassene Code-Schloß. Die Tür würde nun so lange niemandem den Zutritt gestatten, bis er das Schloß zum zweiten Male mit seiner Hand berührte. Die Hand eines Unbefugten würde der Mechanismus sofort an den andersartigen Hautlinien und der falschen Zellkernstrahlung erkennen und diese Muster an den Zentralcomputer weiterleiten, der dann entscheiden würde, was zu geschehen hatte.
     
    Um diese Zeit war kaum noch jemand auf den Gängen, da Überstunden nicht gerne gesehen wurden – der Staat gönnte jedem Arbeitnehmer seine Freizeit, damit man jeden Morgen frisch und ausgeruht zur Arbeit gehen konnte, wie es hieß. Das Förderband trug ihn schnell den langen Gang unter den
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