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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe.
Autoren: Hammesfahr Petra
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blutsverwandt waren. Aber sie hatten sechs Jahre lang wie Brüder gelebt, an einem Tisch gegessen, in einem Zimmer geschlafen, und Kurt hatte die Hosen verschleißen müssen, die Merkel zu kurz geworden waren, das schweißte zusammen.
    Kurt schüttelte den Kopf und versuchte zu sagen, was gesagt werden musste. «Hein, ich muss dich …» Er konnte es nicht aussprechen, nahm ihm nur die Waffe weg. Und das war’s dann!
    Merkel war achtunddreißig Jahre alt und so gut wie tot. Kurt besorgte ihm einen sehr guten Anwalt, den besten, den man kriegen konnte. Der Anwalt wollte auf Totschlag im Affekt plädieren. Aber da spielte Merkel nicht mit. Dem Staatsanwalt erklärte er schon in der ersten Vernehmung, er habe mit Vorsatz und kaltblütig gehandelt, den Mord seit Wochen geplant, nur auf einen günstigen Augenblick gewartet. Und er habe seine Frau ebenso töten wollen wie ihren Liebhaber. Er sei auch der Meinung gewesen, er habe sie getroffen, sonst wäre er doch nicht so einfach wieder gegangen. Aber das Versäumte ließe sich jederzeit nachholen. Er werde das auch tun, sobald sich ihm die Gelegenheit dazu böte. Dabei blieb er. Er konnte es keinem Menschen erklären, nicht einmal sich selbst.
    Kurt gab sich Mühe, ihm etwas klarzumachen, damit er sich nicht lebendig einmauern ließ. Dass der Mann in seinem Bett nicht der Erste gewesen sei. Ein arbeitsloser Elektriker aus der Nachbarschaft, den Heike gebeten hatte, mal nach dem Sicherungskasten zu schauen. Davor hatte sie einen Installateur gerufen, davor einen Versicherungsvertreter, und davor hatte sie den Postboten um einen Gefallen gebeten.
    Mit dem Postboten hatte Agnes Seifert sie einmal überrascht zu einer Zeit, in der Irene gerade die erste Woche in den Kindergarten ging. Später hatte Heike die kleine Tochter oft am Nachmittag zu Agnes gebracht, angeblich um zum Friseur, zum Arzt oder sonst wohin zu gehen, wo es für ein Kind langweilig wäre. Aber Kurt mochte erzählen, so viel er wollte, er machte damit alles nur noch schlimmer für Merkel.
    Noch während der Untersuchungshaft reichte Heike die Scheidung ein. Er schrieb ein paar Briefe an sie, versuchte ihr in jedem zu sagen, was sie ihm bedeutete, nur schickte er keinen einzigen ab. Beim Prozess sah er sie noch einmal. Sie machte ihre Aussage, hatte keinen Blick für ihn. Kaum wurde sie aus dem Zeugenstand entlassen, verließ sie den Saal, wartete nicht einmal auf das Urteil.
    Ein hartes Urteil. Weil er Polizist gewesen war. Weil er keine Reue zeigte, kein Wort des Bedauerns hatte für die Familie des Opfers, eine Frau und zwei kleine Kinder. Und weil er sagte, er würde es wieder tun. Lebenslänglich! Es war ihm egal, sie hätten ihn auch erschießen, aufhängen, köpfen oder vierteilen können. Genau genommen war er gestorben, bei der Tür zum Schlafzimmer. Er! Und nicht ein arbeitsloser Elektriker, dessen nackter Hintern ihm nun vor den Augen tanzte, lebenslänglich!

3. Kapitel
    Friedel tat sich schwer, Irene zu erklären, was damals tatsächlich geschehen war. Ihre Mutter wollte nicht, dass sie es erfuhr. Aber mit ihren zwölf Jahren hielt er sie für alt genug, die Wahrheit zu erfahren. Vielleicht hoffte er, dass sie ihren Vater vergaß oder sich zumindest von ihm distanzierte. Aber auch einen Mörder riss man sich nicht so einfach aus dem Herzen, wenn man ihn mehr geliebt hatte als sonst etwas auf der Welt.
    Friedel sah schließlich ein, dass er Hein Merkel nicht ersetzen konnte, nicht bei Merkels Tochter. Ein paar Wochen später fuhr er sie zu Kurt und Agnes, die Irene seit vier Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ihre Mutter wollte keinen Kontakt zu Leuten, die einen kaltblütigen Mörder gekannt, gemocht und verteidigt, die sogar versucht hatten, einen Teil der Schuld auf sie abzuwälzen.

    «Das bleibt aber unter uns», sagte Friedel, als sie ins Auto stiegen. Von dem Tag an lebte Irene in zwei Welten.
    Agnes Seifert weinte Tränen der Freude, sie wieder zu sehen, wurde nicht müde zu fragen, wie es ihr in den vier Jahren ergangen war, wie sie mit ihrem Stiefvater zurechtkam, ob er gut zu ihr war, ob sie neue Freunde gefunden hatte. Opa und Oma Seifert waren in der Zwischenzeit gestorben. Und Agnes erzählte, Oma habe noch auf dem Sterbebett dafür gebetet, dass es Irene an nichts fehlen möge. Und wenn es die Möglichkeit gäbe, aus dem Jenseits eine schützende Hand über das Kind zu halten, dann würde sie das tun, hätte Oma gesagt, ehe sie die Augen schloss.
    Nun meinte Agnes, obwohl sie ein
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