Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mephistos Erben: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Sophie Heeger
Vom Netzwerk:
Auseinandersetzung in vollem Gange gewesen. Eine schlanke Frau mit langen dunklen Haaren in einem schwarzen Mantel hatte aufgebracht vor Frau Witt und Nora gestanden. »Ich brauche einen Termin, sofort, heute. Ich weiß, Sie haben für Notfälle immer einen Termin. Man hat mir gesagt, ich soll mich an Frau Doktor Johannsen wenden, wenn ich es nicht mehr aushalten kann. Hier ist doch ihre Praxis, oder?« Frau Witt hatte versucht, den Redefluss zu unterbrechen, war aber trotz jahrelanger Übung nicht erfolgreich gewesen. Mit dem Kind an der Hand war Lea an der Anmeldung vorbeigeschlichen. Zum Glück war das kleine Nebenzimmer des Sprechzimmers mit einer Liege ausgestattet und konnte schnell zum Krankenzimmer umfunktioniert werden. »Ich kann nicht mehr!« Frederike war erschöpft auf die Liege gesunken, und Lea hatte rasch noch eine Schüssel besorgt. Anschließend hatte sie sich den Kittel übergezogen, um den ersten Patienten in das Sprechzimmer zu holen. Doch die Lage an der Anmeldung hatte sich zwischenzeitlich keineswegs entspannt.
    »Was ist denn das Problem?«
    Die unerwartete Frage aus dem Hintergrund hatte eine Pause verursacht. Aber nur für kurze Zeit. Die Frau hatte sich zu ihr herumgedreht und sofort erfasst, dass ein neuer Ansprechpartner zur Verfügung stand. Ohne zu zögern hatte sie begonnen, ihr Anliegen erneut vorzutragen.
    Keinen Moment hatte Lea daran gezweifelt, dass diese Frau sich in einer psychischen Ausnahmesituation befand. Es waren ihre Augen, furchtsam geöffnet, der angespannte Gesichtsausdruck, die fahrigen Bewegungen ihrer Hände, die immer nur für einen kurzen Moment Haare, Mantel, Tasche oder den Tresen berührten. Sie hätte sich an der Anmeldung ganz sicher nicht beruhigt. Kurz entschlossen hatte Lea die Frau daher aufgefordert, ihr ins Sprechzimmer zu folgen und dort Platz zu nehmen.
    »Weshalb sind Sie gekommen?«
    »Sind Sie Frau Doktor Johannsen?«
    Lea hatte genickt, und die Frau hatte leise zu sprechen begonnen: »Ich bin schuldig, ich habe mich versündigt! Verstehen Sie? Jetzt ist der Teufel immer anwesend. Er lässt mich nicht gehen. Überall finde ich ihn, oder er findet mich.« Eindringlich hatte die Frau Lea aus dunkelblauen Augen angeblickt, so als könnte sie die Antwort auf ihre Frage in Leas Gesicht ablesen. »An mir und am Leben selbst habe ich mich versündigt; deshalb spüre ich seine Ketten. Ich habe zu büßen. Es ist ausweglos.« Hastig hatte sie die Wörter ausgesprochen, und sie schien erleichtert darüber zu sein, dass die Worte sich aneinandergereiht und zu einem Satz geformt hatten.
    »Weshalb glauben Sie an eine Sünde?« Lea hatte nachgefragt, um das Gespräch weiterzuführen und mehr zu hören.
    »Kennen Sie den Weg? Wissen Sie, was nach dem Teufel kommt? Kennen Sie die Zahl?«
    Auf Leas Frage hatte die Frau entweder nicht antworten wollen, oder sie hatte es nicht gekonnt. Ihr schmales Gesicht mit den hohen Wangenknochen hatte exotisch ausgesehen, schön mit einer ungesunden Blässe. Ihr Alter hatte Lea auf Anfang vierzig geschätzt.
    »Was meinen Sie mit dem Weg oder der Zahl?«
    In Leas Kopf hatten sich die Schubladen für einzelne psychiatrische Symptome wie Wahnwahrnehmung, systematischer Wahn oder paranoide Wahnvorstellung geöffnet.
    »Die Zahl weist den nächsten Schritt, …wie der Weg fortgesetzt werden kann, verstehen Sie?« Die Frau hatte aus dem Fenster geschaut. »Ich suche Erlösung, aber die Schuld hält mich fest. Ich möchte verstehen, und ich möchte wieder frei sein.«
    Lea fasste ihre Erinnerungen in wenigen Worten für die Polizeibeamten zusammen.
    »War die Patientin psychotisch, oder hatte sie ein anderes Problem?«, erkundigte sich Sandra Kurz.
    »Wirklich schwer zu sagen«, antwortete Lea der jungen Kommissarin, deren kompetente Frage sie beeindruckte. Psychiatrische Krankheitsbilder waren häufig komplex und verworren. Hinter den Aussagen der Patienten suchte man Muster für die verschiedenen Störungen. Es gab richtungweisende Symptome, wie zum Beispiel den katatonen Sperrungszustand, den Stupor, die hyperkinetische Katatonie, die verschiedenen Halluzinationen, haptische, akustische, optische und andere Wahrnehmungsstörungen. Allesamt Bezeichnungen für genau definierte Störungen, die zu richtigen Diagnosen führten, oder besser führen sollten. Bei Frau van der Neer waren die Hinweise undeutlich, unscharf und schwer abgrenzbar gewesen, und so antwortete Lea wahrheitsgemäß: »Das kann ich Ihnen nicht eindeutig sagen. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher