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Menu d'amour

Menu d'amour

Titel: Menu d'amour
Autoren: Nicolas Barreau
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konnte. Ich grinste diabolisch und dachte an Valéries Gigolo von der Riviera, der in unseren Gesprächen zwar ausgeklammert wurde, doch stets wie ein Schatten im Hintergrund lauerte. Es wäre mir ein Vergnügen gewesen, Alessandro di Forza mithilfe von ein paar zusammengemischten Kräutern dessen zu berauben, was er mir voraushatte.
    »Gefällt Ihnen das Buch, Monsieur?« Der alte Bouquinist beugte sich hinter seinem Stand vor und warf mir einen listigen Blick aus seinen braunen Äuglein zu.
    »Oh ja!«, erwiderte ich aus vollem Herzen. »Ein äußerst nützliches Buch. Doch leider sind die Zeiten vorbei, wo man seine Feinde einfach so vergiften kann.«
    Der Alte stieß ein meckerndes Lachen aus und sprang neben mich. Er ragte mir gerade mal bis zur Schulter. »Ich überlasse Ihnen diese Rarität für dreißig Franc.« Er griff nach dem Büchlein und schlug es an einer bestimmten Stelle auf. »Sehen Sie … hier! Es gibt sogar einen Liebestrank.« Er kicherte.
    Ich folgte seinem langen Finger mit dem gelblichen Nagel, der auf eine fleckige Seite klopfte. L’elixir d’amour éternelle.
    »Das Elixir der ewigen Liebe«, wiederholte ich verblüfft.
    »Ich kenne jemanden, der es ausprobiert hat«, krächzte mir das Männlein ins Ohr. Von Sekunde zu Sekunde erschien er mir mehr wie eine der sonderbaren Gestalten, die in E . T . A . Hoffmanns Novellen vorkamen. »Es hat gewirkt«, raunte er jetzt verschwörerisch.
    Ich lachte ungläubig. »Das wäre ja das erste Mal seit Tristan und Isolde, dass so etwas funktioniert.«
    »Kaufen Sie das Buch, junger Mann. Kaufen Sie es, und das Täubchen gehört Ihnen!« Er klappte das kleine rote Buch zu, drückte es mir in die Hand und legte seine runzlige Hand auf die meine. »Zwanzig Franc, mein letztes Wort. Sie werden es nicht bereuen, Monsieur, glauben Sie mir. Dieses Buch hat auf Sie gewartet.« Seine dunklen Augen bohrten sich in meine, und ich trat unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Sie werden es nicht bereuen«, rief er mir noch einmal hinterher, als er einen Augenblick später die zwanzig Franc einsteckte, die gegen jede Vernunft den Besitzer gewechselt hatten.

11
    Wer jemals im Leben hoffnungslos verliebt war, weiß, dass man auf die seltsamsten Ideen kommt, wenn man glaubt, damit seine Ziele zu erreichen. Es gibt Leute, die essen Photos der geliebten Person oder vergraben bei Vollmond an einer Wegkreuzung eine Haarlocke, die sie heimlich erbeutet haben. Gemessen daran war die Idee, es mit einem Menu d’amour zu versuchen, gar nicht so abwegig. Schließlich gab es nachweislich aphrodisische Lebensmittel und Gewürze wie zum Beispiel Granatapfelkerne, Spargel, Safran oder Curry. Dennoch muss ich gestehen, dass ich anfangs mit widerstrebenden Gefühlen die Rezeptur für das Liebeselixir beäugte, das aus mir unbekannten Zutaten wie Rumex Acetosa , Mandragora officinarum oder Myristica fragrans bestand. Wenn man den Worten des italienischen Verfassers glauben durfte, sollte die geheime Mixtur – in destilliertem Rosenwasser und Rotwein aufgelöst und dem Hauptgang kurz vor dem Essen beigemischt – für dauerhafte Liebe zwischen den Menschen sorgen, die das Mahl gemeinsam verspeisten.
    »Haha! Das glaubst du doch nicht im Ernst, Henri Bredin«, sagte ich zu mir selbst. »Was für ein Unfug!« Dann musste ich wieder an das sonderbare Männlein denken, das mir am Quai de Conti diese »Rarität« aufgenötigt hatte. Prophetisch, ja schicksalhaft klangen seine Worte, dass das Buch auf mich gewartet habe. Am Ende beschloss ich, einen Versuch zu wagen. Das Schlimmste, was passieren konnte, war doch nur, dass mein Gericht etwas seltsam schmeckte. Und das Beste … das Beste wagte ich mir gar nicht vorzustellen!
    Es kostete mich mehr als eine Woche, die seltenen Kräuter und Gewürze aufzutreiben, die das Liebeselixir erforderte. Ich zupfte und zerkleinerte, ich brühte auf und kochte ein und goss den Sud vorsichtig durch ein Küchenhandtuch.
    Und dann hielt ich das kleine Fläschchen in den Händen, das mein Leben grundstürzend verändern sollte.

12
    »Endlich wirst du vernünftig«, sagte Georges. Er stand vor mir, in der Hand seine Reisetasche, und füllte den schmalen dunklen Flur unserer Wohnung fast völlig aus. Ich wischte mir die Hände an der Schürze ab und lächelte bei dem Gedanken, dass ich mich noch nie so weit weg von jeder Vernunft befunden hatte wie gerade jetzt. Doch das konnte Georges natürlich nicht ahnen. Der Geruch von wildem Thymian, Knoblauch
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