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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation
Autoren: Paul Watzlawick
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psychopathologischer Fragen, ist das wesentliche Anliegen dieses Buches.
    2. Dieser Versuch wurzelt nicht - wie angenommen werden
könnte - in der für uns Europäer fremden Hintansetzung des
Individuums hinter die soziale Gruppe, sondern stützt sich auf
die Prinzipien der Wechselwirkungen, der Systemlehre und der
sogenannten Neubildungen, die in vielen anderen Wissenschaftszweigen schon längst Allgemeingut sind.
    3. Die Übertragung des englischen Originals gestaltete sich in
mancher Hinsicht schwierig, weil verschiedene grundlegende
Begriffe der Kommunikationslehre keine semantisch einwandfreien deutschen Entsprechungen haben. Dies gilt ironischerweise vor allem für den Begriff Kommunikation selbst, der im Deutschen ungewohnt klingt. Weitere Beispiele sind message (dem das
deutsche Wort «Mitteilung» auch nicht annähernd gerecht wird),
pattern, level - ganz zu schweigen von Neologismen wie double
bind und dergleichen. Wo immer möglich, habe ich versucht, dem
sachlich zutreffenderen Ausdruck den Vorrang über den stilistisch besseren zu geben und hoffe auf das Verständnis des Lesers
für diese Schwierigkeit.

    Meinem Lehrer und Freund, Herrn Professor Dr. K.W. Bash,
Psychiatrische Universitäts-Klinik Bern, möchte ich an dieser
Stelle herzlich für seine Anregungen und seine Hilfe danken.

     

Es gab bisher keine zweite Kultur, welche den Leistungen einer anderen,
längst erloschenen so viel Verehrung entgegentrug und wissenschaftlich so
viel Einfluss gestattete, wie die abendländische der antiken. Er dauerte lange,
bevor wir den Mut fanden, unser eigenes Denken zu denken. Auf dem
Grunde lag der beständige Wunsch, es der Antike gleichzutun. Trotzdem war
jeder Schritt in diesem Sinne eine tatsächliche Entfernung von dem erstrebten
Ideal. Deshalb ist die Geschichte des abendländischen Wissens die einer fortschreitenden Emanzipation vom antiken Denken, einer Befreiung, die nicht
einmal gewollt, die in den Tiefen des Unbewussten erzwungen wurde.

    1.1 Einleitung
    In einer bestimmten Gegend Nordkanadas zeigt die Fuchsbevölkerung eine auffallende Regelmäßigkeit in der Zu- und Abnahme
ihrer Dichte. Im Laufe von vier Jahren steigt sie zunächst zu
einem Höchstwert an, beginnt dann abzusinken, erreicht einen
kritischen Tiefpunkt und beginnt schließlich wieder anzusteigen.
Ein Grund für diese Periodizität ist weder im Einzeltier noch in
der sozialen Organisation der Gattung zu finden. Erst wenn - wie
es heute selbstverständlich ist - die unmittelbare Umwelt einbezogen wird, zeigt es sich, dass die in derselben Gegend lebenden
wilden Kaninchen identische Phasen durchlaufen, die allerdings
gegenüber denen der Füchse um zwei Jahre verschoben sind: Dem Höchststand der Fuchsbevölkerung entspricht der Tiefstand der
Kaninchen und umgekehrt. Da die Füchse fast ausschließlich
von Kaninchen leben und diese kaum einen anderen natürlichen
Feind haben als die Füchse, erweist sich der Vierjahreszyklus als
eine Interferenzerscheinung des Zusammenlebens dieser beiden
Gattungen: Je zahlreicher die Füchse, desto mehr Kaninchen werden gefressen; je weniger Kaninchen, desto weniger Nahrung ist
für die Füchse vorhanden, und desto weniger Füchse überleben
und pflanzen sich fort, was für die Kaninchen eine Schonzeit
bedeutet und ihre Zahl rasch wieder ansteigen lässt.

    Unter den während des Krieges in England stationierten
amerikanischen Soldaten war die Ansicht weit verbreitet, die
englischen Mädchen seien sexuell überaus leicht zugänglich.
Merkwürdigerweise behaupteten die Mädchen ihrerseits, die
amerikanischen Soldaten seien übertrieben stürmisch. Eine Untersuchung, an der u. a. Margaret Mead teilnahm, führte zu einer
interessanten Lösung dieses Widerspruchs. Es stellte sich heraus,
dass das Paarungsverhalten (courtship pattern) - vom Kennenlernen der Partner bis zum Geschlechtsverkehr - in England wie in
Amerika ungefähr dreißig verschiedene Verhaltensformen durchläuft, dass aber die Reihenfolge dieser Verhaltensformen in den
beiden Kulturbereichen verschieden ist. Während z. B. das Küssen in Amerika relativ früh kommt, etwa auf Stufe 5, tritt es im
typischen Paarungsverhalten der Engländer relativ spät auf, etwa
auf Stufe 25. Praktisch bedeutet dies, dass eine Engländerin, die
von ihrem Soldaten geküsst wurde, sich nicht nur um einen
Großteil des für sie intuitiv «richtigen» Paarungsverhaltens (Stufe
5-24) betrogen fühlte, sondern zu
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