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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel
Autoren: M Raffelsberger
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war schwül und stickig. Musste
einer von ihnen auf die Toilette, band er ihm die Füße los und brachte ihn zu
einem Kübel im Nebenraum. Sein Gesicht sagte ihr nichts. Er musste Mitte
vierzig sein, schmale, kantige Konturen, der Kopf schien vor wenigen Tagen
frisch rasiert worden zu sein. Unter anderen Umständen hätte sie ihn als gut aussehend
bezeichnet. Dass er sich keine Mühe gab, sein Gesicht zu verbergen, ängstigte
sie am meisten. Er würde sie nicht lebend gehen lassen.
    Wieder kamen ihr die Tränen, verstopften die Nase. Sie musste
hochziehen, um nicht zu ersticken. Noch einmal. Die anderen drehten sich hastig
nach ihr um. Sie erkannte kein Mitleid in ihren Blicken, vielmehr Angst, fast
Hass. Provozier ihn nicht auch noch mit Tränen, schienen sie zu sagen.
    Endlich verstummte das beißende Geräusch von Metall auf Knochen.
Zufrieden drehte der Mann in Weiß die gewundenen Hornbögen in seinen Händen. Er
stand auf und legte sie an ein Tischende, ohne die anderen zu beachten. Dann
ging er zurück, schleppte den Bottich hinaus, irgendwo in die dunklen Gänge des
Kellers, in denen er verschwand und aus denen er später wiederauftauchte.
    Kaum hatte er den Raum verlassen, warfen sie sich gegenseitig Blicke
zu. In den Augen der anderen erkannte sie die gleiche Ratlosigkeit, die gleiche
Angst, entdeckte aber auch das Fünkchen Hoffnung, das alles hier wäre nur ein
sehr geschmackloser Scherz.
    Ihre unartikulierten Laute verstummten, als sie seine Schritte
zurückkommen hörten. Er trat hinter Alfred Wuster auf der anderen Seite des
Tisches. Von hinten schnitt er die Bänder um seine Beine los. Die Klinge in seiner
Hand war sehr klein und kurz. Das Skalpell, mit dem er den Bock aufgeschlitzt
hatte. Wusters Hände ließ er gefesselt.
    Als Wuster die Hände des Mannes unter seinen Achseln spürte, fuhr er
von allein hoch, dass der andere ihn gar nicht heben musste. Flehend wandte er
den Kopf mit der Stirnglatze und den wirren weißen Haaren um. Der Mann in Weiß
beachtete ihn nicht. Er war einen halben Kopf größer und schlank, aber
athletisch gebaut. Seine großen Hände, die in dünnen Latexhandschuhen steckten,
schoben Wuster zum Tisch, drehten ihn, dass er sich auf die Tischkante setzte,
und legten ihn hin. Bevor Wuster sich wehren konnte, hatte der Mann mit einem
breiten Klebeband die Beine am Tisch fixiert. Mehrmals wickelte er das Band um
die Holzplatte. Wuster bäumte sich auf, doch der Mann brachte seinen Oberkörper
spielend zurück und band ihn ebenso fest wie die Beine. Mit schreckstarren
Augen warf Wuster den Kopf hin und her, suchte die Blicke der anderen. Ein
Bockshorn fiel zu Boden. Der Mann hob es auf und legte es zurück neben Wusters
Kopf. Mit einem schnellen Ruck riss er Wusters Hemd auf, mit einem weiteren
hatte er den mageren Oberkörper entblößt. Sie konnte den Bauch vor Angst
flattern sehen. Unter dem Licht der Glühbirnen war er fast so weiß wie die
Kleidung seines Häschers. Der Mann band den noch hängenden Hinterkörper des
Ziegenbocks los und trug ihn zum Tisch. Prüfend legte er ihn neben Wusters
Beine. Er schien die Länge zu messen, die Proportionen. Die Hufe an den
spindeldürren Läufen ragten gegen die Decke, bevor sie zur Seite kippten, die
Bauchhaut lag schlaff auf der Tischplatte. Der Mann bedeckte Wusters Unterleib
mit dem Fell und spannte es links und rechts über dessen Schmerbauch, als
wollte er dem alten Mann eine Hose anpassen. Er nickte versonnen, schob die
Kadaverreste zwischen Wusters Beine, umrundete den Tisch, kam auf sie zu und
verschwand hinter ihr. Sie hörte metallisches Klappern. Schritte. Er kam
zurück. Blieb hinter ihr stehen.
    Als sie seine Hand in ihren Haaren spürte, erstickte sie fast an
ihrer Angst. Mit einem heftigen Ruck riss er ihren Kopf hoch. Aus den
Augenwinkeln sah sie eine Klinge neben ihrem Gesicht blitzen. Dann hörte sie
das schabende Geräusch, mit dem er ihr ein Büschel Haare abschnitt. Ohne sich
zu ihr umzudrehen, ging er zum Tisch, die Haare in der einen Hand, in der
anderen eine glänzende Schüssel. Sie sah die Scheren und Skalpelle. Wuster sah
sie auch.
    Aus seiner Kehle drang ein unmenschlicher Laut. Seine Glieder
spannten sich vergebens unter den Fesseln. Sie sah, wie jeder Muskel, von Hals
bis Bauch, zum Zerreißen gespannt war. Er zerrte an seinen Fesseln, doch die
gaben keinen Zentimeter nach.
    Ungerührt holte der Mann in Weiß die Säge an den Tisch, mit der er
die Hörner vom Kopf des Bocks getrennt hatte.
    Sie spürte,
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