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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition)
Autoren: Julianna Baggott
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das gesamte Training für die neue Elitetruppe absolvieren werden. Spezialkräfte. Sie sind auserwählt. Es steht nirgendwo geschrieben, aber jeder weiß es.
    Glassings befiehlt der Klasse, sich zu beruhigen.
    Arvin Weed nickt Partridge zu, als wollte er sagen: Viel Glück.
    Partridge geht zur Tür. »Kann ich mir die Notizen später holen?«, fragt er Glassings.
    Glassings tätschelt Partridge den Rücken. »Sicher«, sagt er. »Keine Sorge.« Er redet von den Notizen, über das Mithalten mit dem Stoff, aber er sieht Partridge auf seine eigenartige Weise an, und dem wird klar, dass Glassings ihn zu beruhigen versucht. Keine Sorge, was auch immer passiert, alles wird gut.
    Draußen im Korridor wird Partridge von zwei Wärtern in Empfang genommen. »Wohin?«, fragt er.
    Sie sind beide groß und muskulös, doch der eine der beiden ist ein wenig breiter als der andere. Der Breitere ist es, der antwortet. »Dein Vater will dich sehen.«
    Partridge fröstelt plötzlich. Seine Hände sind klamm, und er reibt die Handflächen gegeneinander. Er will seinen Vater nicht sehen. Er will ihn nie sehen. »Der alte Herr will mich sehen?«, sagt Partridge nach außen hin unbekümmert. »Ein bisschen Familienzeit, oder wie?«
    Sie bringen ihn durch glänzende Korridore, vorbei an den Ölgemälden zweier Schulleiter – einer gefeuert, einer im Amt, aber beide irgendwie teigig, tot wirkend –, nach unten, ins Untergeschoss, zur Monorail-Station. Sie warten schweigend in der zugigen Station. Es ist die Bahn, mit der die Jungs immer zum Medizinischen Zentrum fahren, in dem Partridges Vater dreimal die Woche arbeitet. Einige Etagen im Zentrum sind für Kranke reserviert. Diese Etagen sind von der Außenwelt abgeschottet, die Kranken isoliert. Krankheiten werden im Kapitol sehr ernst genommen. Ansteckung könnte alle umbringen, daher führt das leichteste Fieber bereits zu kurzzeitiger Quarantäne. Partridge selbst war schon ein paarmal auf einer dieser Krankenstationen, in einem kleinen, langweiligen, sterilen Zimmer.
    Die Sterbenden? Niemand besucht die Sterbenden. Sie haben eine eigene Etage.
    Partridge fragt sich, was sein Vater von ihm will. Er gehört nicht zur Horde, ist nicht zu irgendwas Besserem bestimmt. Das war Sedges Rolle. Als Partridge auf die Akademie kam, wusste er anfangs nicht, ob er wegen seines Vaters oder wegen seines Bruders bekannt war. Es spielte keine Rolle – er machte keinem von beiden Ehre. Er gewann nie eine körperliche Herausforderung, und er saß bei den meisten Spielen auf der Bank, gleichgültig in welcher Sportart. Und er war nicht intelligent genug, um in das andere Programm zu kommen – Hirnkapazitätssteigerung. Das ist den Schlauen der Klasse vorbehalten, wie Arvin Weed, Heath Winston oder Gar Drelin. Partridges Noten waren immer grenzwertig. Wie die meisten Jungen, die zum Codieren gebracht werden, bekommt er nur eine Wald-und-Wiesen-Verstärkung, die keinen anderen Zweck hat, als die Spezies zu verbessern.
    Will sein Vater etwa nur sehen, wie es seinem Wald-und-Wiesen-Sohn geht? Vielleicht verspürt er das plötzliche Verlangen, eine Bindung aufzubauen? Werden sie überhaupt ein Thema finden, über das sie reden können? Partridge versucht sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal einfach nur zum Spaß etwas gemeinsam unternommen haben. Einmal, nach Sedges Tod, hatte sein Vater ihn zum Schwimmen ins Hallenbad der Akademie mitgenommen. Partridge weiß nur noch, dass sein Vater ein exzellenter Schwimmer war. Er war durchs Wasser geglitten wie ein Seeotter, und als er schließlich aus dem Wasser gekommen war, um sich abzutrocknen, hatte Partridge zum allerersten Mal, solange er sich erinnern konnte, die entblößte Brust seines Vaters gesehen. Hatte er ihn überhaupt jemals nur halb angezogen gesehen? Er hatte sechs kleine Narben auf der Brust, links, über dem Herzen. Sie stammten nicht von einem Unfall. Dazu waren die Narben zu symmetrisch und zu sauber.
    Die Monorail hält in der Station, und Partridge verspürt einen flüchtigen Impuls wegzurennen. Die Wärter würden ihm einen Elektroschock in den Rücken jagen, das weiß er. Er würde eine rote Verbrennung davontragen, die sich über den Rücken und die Arme zöge. Sein Vater würde es erfahren, und das würde die Sache nur noch schlimmer machen. Außerdem – warum wegrennen? Wohin sollte er rennen? Im Kreis herum? Sie sind schließlich in einer Kuppel.
    Die Bahn bringt sie zum Eingang des Medizinischen Zentrums. Die Wärter zeigen
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