Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melvin, mein Hund und die russischen Gurken

Melvin, mein Hund und die russischen Gurken

Titel: Melvin, mein Hund und die russischen Gurken
Autoren: Marlene Roeder
Vom Netzwerk:
Mitternachtsparty zu feiern, wie die Mädchen in den Büchern, die Frauke so gerne las.
    »Klar. Wir haben versucht, bis zur Geisterstunde wach zu bleiben. Aber wir sind immer vorher eingeschlafen, bis du auf die Idee kamst, einen Wecker zu stellen.«
    Im Licht einer Taschenlampe haben wir unter der Bettdecke gekauert und den dumpfen Schlägen der Kirchturmuhr gelauscht. Es war aufregend, wach zu sein und Butterkekse zu essen, während die Erwachsenen schliefen. Wir tauchten die Kekse in flüssige Schokolade, die wir auf der Heizung geschmolzen hatten. Aber das Beste war das feine Geschirr, das Frauke heimlich aus der Vitrine ihrer Mutter genommen hatte: winzige Tassen und Teller aus goldbemaltem Porzellan. Wenn wir davon aßen, fühlten wir uns wie Prinzessinnen. Ich war Prinzessin Sonne, damals waren meine Haare noch ganz hellblond. Frauke war Prinzessin Mond.
    »Meine Mutter hat einen furchtbaren Aufstand gemacht wegen der zerbrochenen Tasse«, sagt Frauke.
    »Tut mir leid«, flüstere ich. Vielleicht nicht nur wegen der Tasse.
    Ich hatte die Tasse damals fallen lassen und sie war in tausend Scherben zerbrochen. Das Einzige, was heil geblieben war, war der winzige, vergoldete Henkel. Ich hatte mich nicht getraut, es Fraukes Mutter zu beichten, aus Angst, ich dürfte nicht mehr zu ihnen kommen. Also bekam Frauke den ganzen Ärger ab, während ich danebenstand. Sie hat nie was gesagt.
    »Shit happens.« Frauke zuckt die Achseln. »Ich hab jetzt irgendwie Lust auf einen Film und auf eine heiße Schokolade. Kommst du mit?«
    Hinter uns aus der Tür schwappen Musik, Gelächter und Leute, die ich gerne kennen würde. Ich frage mich, ob Janina irgendwann rauskommen wird, um mich zu suchen.
    »Nee, ich glaub, ich bleib noch ein bisschen. Schaffst du’s allein nach Hause?«
    Frauke nickt und steht auf, um mich kurz zu umarmen. Ich rieche ihren vertrauten Duft nach Schokolade und bester Freundin.
    Die zu kleinen Schuhe hat sie ausgezogen und trägt sie in der rechten Hand. Langsam läuft sie über den Parkplatz, weg von mir.
    Plötzlich habe ich einen Kloß im Hals.
    »Hey, Prinzessin Mond!«, rufe ich und mir ist egal, wer mich hört. Ein paar Leute lachen, aber Frauke hebt die Hand mit den Schuhen und ich weiß, das heißt: Prinzessin Sonne.

WIE MAN EIN KLAVIER LOSWIRD
    Einige Tatsachen über das Klavier:
    • Es hat 88 Tasten, 36 schwarze und 52 weiße.
    • Es ist lackschwarz und sieht aus wie ein extravaganter Sarg, der in unserem Wohnzimmer steht.
    • Es hat Jasper gehört.
    • Ich hasse das Klavier.
    Es ist Freitag und heute Abend steigt eine Party bei Janina. Ich bin auch eingeladen. Alle aus unserer Klasse, die einigermaßen cool sind, werden dort sein.
    Alle außer mir.
    Als mein Klavierlehrer vor einer halben Stunde gegangen ist, hat er gesagt, dass ich ihn morgen bei dem Vorspiel nicht blamieren werde, wenn ich die Stücke noch mal für mich übe. Das ist das höchste Lob, das ich aus seinem Mund je gehört habe. Nach der ganzen Schufterei, die nötig war, um an diesen Punkt zu kommen, sollte ich vermutlich stolz sein und mich freuen wie ein Keks.
    Stattdessen sitze ich hier, starre das Klavier an und fühle mich leer.
    Oben auf dem Kasten steht ein gerahmtes Bild von meinem Bruder Jasper. Dad hat es an dem Tag aufgenommen, als das Klavier geliefert wurde. Zwei Männer trugen es die Treppen hoch, wo Jasper es in die vorgesehene Ecke einwinkte wie einen Jumbojet im Landeanflug. Auf dem Foto ist zu sehen, wie Jasper zum ersten Mal auf dem Klavier spielt, ein Supersize-Grinsen auf dem Gesicht.
    Damals waren wir neun und die von der Musikschule hatten unseren Eltern gerade mitgeteilt, dass Jasper außergewöhnlich begabt sei und ein eigenes Instrument zum Üben bräuchte. Da unsere Eltern Begabungen ihrer Sprösslinge optimal fördern wollten, kauften sie ein Klavier. Das Klavier, das ich jetzt am Hals habe. Danke, Jasper.
    Vermutlich soll man auf seinen toten Zwilling nicht sauer sein, aber ich bin trotzdem stinksauer. Schließlich hat er mir die ganze Scheiße hier eingebrockt.
    Einige Tatsachen über Jasper:
    • Er war acht Minuten älter als ich, aber trotzdem fünf Zentimeter kleiner.
    • Wir haben uns nicht besonders ähnlich gesehen, auch wenn alle Welt das anscheinend von Zwillingen erwartet.
    • Er verbrachte täglich etwa fünf (FÜNF!) Stunden mit Klavierspielen. So richtig hammerschwere Stücke. Ein Freak, oder wie man zu Zeiten des alten Mozarts gesagt hätte: ein Wunderkind.
    • Inzwischen bin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher