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Melli - einmal blinzeln und von vorn

Melli - einmal blinzeln und von vorn

Titel: Melli - einmal blinzeln und von vorn
Autoren: Stefanie Doerr
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Kannte sie ihn vielleicht doch? Nein, diese türkisblauen Augen hätte sie nie im Leben vergessen. Und dieses grässliche Englisch auch nicht, abgesehen davon, dass sie sowieso keine Engländer außer ihrem Lehrer kannte und Adrian als einzigen Amerikaner. Oha, das war es. Breiter amerikanischer Slang? So Adrian-mäßig? War das etwa Jason? Sie studierte das immer noch grinsende Gesicht ihres Gegenübers. »Shocking! There’s a monster in my house!«, höhnte der, ging zur Küche und begann, den Kühlschrank zu durchstöbern. »Ist noch ice da? Man kann nicht Coke without ice trinken. Never! Oder überhaupt irgendetwas ohne ice. Mann, jetzt muss ich die machine anmachen. Shit!«
    Â»Jason?«, fragte Melli vorsichtig und folgte ihm. Während sie seinen Rücken und seine tief sitzende Hüftjeans musterte, flogen ihre Gedanken nur so in ihrem Kopf herum. Wenn das hier Jason war, befand sie sich dann in den USA? Aber halt, ihr Kirchturm. Ihr Wäldchen. Sie stürzte erneut zum Fenster. Richtig. Der protzige Neubau am Ortsende! Das musste es sein. Dort befand sie sich! Sie fuhr herum zu dem Typ, der möglicherweise Jason hieß und immer noch den Kühlschrank inspizierte, sich ihr jetzt allerdings betont langsam zuwandte. »Hast du dein memory verloren? Oder ist das ein komische game, like for babies?«, fragte er herablassend. »Jason?«, äffte er sie dann nach. »Who do you think I am? Mein fucking Vater? The postman?«
    Â»Ich habe mich nur erschrocken«, verteidigte sich Melli nun einigermaßen gefasst. Das neue Haus. Jason ist hier. Es ist die Zukunft, hämmerte es in ihrem Kopf. »Wie lange bist du schon hier?«, entfuhr es ihr im nächsten Augenblick. Mistige Mistigkeit, sie durfte doch nicht verraten, dass sie keine Ahnung hatte, wo und zu welcher Zeit sie sich hier befand.
    Â»Okay, you funny little cow. Ich bin hier seit Frühstück, seit yesterday, since last week, seit ein Monaten, bis diese fucking school wieder get started und ich aus diese fucking Haus, aus diesem fucking Kaff und diesem ...« Oh, da war aber jemand gar nicht gut drauf.
    Â»Wenn du dich langweilst, liegt es nur an dir. Beschäftige dich irgendwie, geh ins Kino. Und lass den Kühlschrank ganz.« Den letzten Satz fügte Melli hinzu, da Jason die Tür des garagengroßen Kühlschranks gerade zugeknallt hatte, dass die Wände wackelten. Als ein durchdringendes Piepen ertönte, drückte Jason genervt auf zahlreichen leuchtenden Knöpfen herum. Wie sollte sie jemals in so einem Monsterteil Milch, Eier oder andere gewöhnliche Dinge finden? Auweia. Finden. Das war überhaupt ein sehr schlechtes Stichwort. Sie musste nicht nur unbedingt den Weg zur Toilette finden, sondern hätte auch zu gerne gewusst, wo ihr Zimmer war. Aber wie sollte sie das anstellen, ohne dass Jason Verdacht schöpfte?
    Â»Ã„hm, du kannst dir dein Eis ruhig selbst kaufen gehen. Im Supermarkt findest du jede Menge«, schlug sie schnippisch vor, um ihn aus dem Haus zu bekommen.
    Â»Supermarket? Das corner shop? No ice für ordentliche drinks. Sie haben Vanille ice-cream, yeah, weil die shop girl mich liebt!« Was war das denn für ein arroganter Blödmann? Und von wegen »Jason spricht ja schon so toll deutsch«. Wie der sich ausdrückte … Völlig krank diese ganze Situation, dachte Melli überfordert. Ich will sofort in mein Zimmer und nachdenken. Dieser mistige Typ war ja noch schlimmer, als sie erwartet hatte. Toll, da konnte sie sich ja auf etwas gefasst machen. Unbedingt Jasons Ankunft hier verhindern, merkte sie sich vor, und – sollte das nicht klappen, auf jeden Fall dafür sorgen, dass er schnell wieder verschwand. Jetzt stand allerdings die Inspektion des Hauses ganz oben auf ihrer Liste und vor allem musste sie schnellstmöglich die Toilette finden.
    Da Jason keine Anstalten machte, sich in Luft aufzulösen, ging sie mit festen Schritten dorthin, wo sie den Eingang vermutete. Dort befand sich in den meisten Häusern ein Gästeklo. Zögernd öffnete sie eine Tür. Ein schneller Blick zurück zeigte ihr, dass Jason ihr mit gerunzelter Stirn zusah, vor ihr führten steile Stufen abwärts. Prima, sie hatte die Kellertür gefunden. Na immerhin. Dann konnte es ja nur die nächste Tür sein. Endlich. Schnell verschwand sie in dem kleinen Raum, drehte den Riegel um und ließ sich auf die
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