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Melina und die vergessene Magie

Melina und die vergessene Magie

Titel: Melina und die vergessene Magie
Autoren: Susanne Mittag
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bedauern war. Und genau diese Schwäche musste sie ausnutzen!
    »Ich fürchte, hinter deinem Rücken hat er das Tor offen gelassen und den Wächter unter seinen eigenen Befehl gestellt.«
    Morzena warf ihr einen funkelnden Blick zu.
    »Du vertraust ihm dennoch, nicht wahr?«, setzte Melina nach. »Sonst würdest du ihn doch nicht so lange mit all der Magie da unten allein lassen.«
    Die Sorge um Lianna, Tann und Erel ließ sie ungeduldig werden. Und sie musste sich ein erleichtertes Aufatmen verkneifen, als Morzena sich ihren Umhang um die Schultern warf und Melina hinter sich herzog.
    »Es wird allerdings höchste Zeit …«, murmelte sie. »Lamunee muss dem Feuer übergeben werden.«

    Als Morzena sie gefesselt nach draußen führte, stellte Melina verblüfft fest, dass es bereits dunkel geworden war. Die Luft war drückend warm, aber es war nicht die Wärme einer lauen Sommernacht, sondern der Atem des Vulkans unter ihnen. Auf der Kante der Außentreppe stieß Morzena einen hohen Pfiff aus, und gleich darauf zeichneten sich dunkle Schwingen am Nachthimmel ab. Melina brauchte ihr Erschrecken vor dem Tier nicht vorzuspielen, es flößte ihr auch beim zweiten Mal noch Angst ein. Vor allem weil sie dieses Mal die Hände nicht frei hatte, um sich festzuhalten. Morzena bemerkte ihr Dilemma und lockerte amüsiert die Umklammerung der Silberschlange, sodass Melina aufsteigen konnte. »Halt dich gut fest! Wir wollen doch nicht, dass du in die Tiefe stürzt!«
    »Warum nicht?«, fragte Melina, bevor sie darüber nachdenken konnte, dass Morzena das als Vorschlag verstehen konnte.
    »Ich habe beschlossen, dass ich dich noch brauche«, erwiderte die Zauberin neben ihrem Ohr, während der Vogel von der Außentreppe in die Tiefe sprang. Alles in Melina kribbelte, und aus ihrem Mund entwich ein Schrei, der tief von innen kam. Es war ein Gefühl freien Falls, und sie war sicher, dass so ihr Tod aussehen würde. Doch kurz vor dem Boden streckte der Vogel die Flügel aus und legte sich elegant in den Wind. Morzena lachte und genoss sichtlich den Flug, der ihr die Haare zerzauste und ihren Umhang flattern ließ.
    »Du wirst mir helfen, Salius zu vernichten«, sagte sie, und es klang wie ein Befehl. »Dafür nehme ich dich mit in unsere Welt.«
    Melina hielt den Atem an, als sie das Tal in einer weiten Schleife überflogen. Es war ein überwältigender Anblick: Auf dem Versammlungsplatz standen Hunderte von Zauberern, und unzählige Fackeln ließen die Nacht in den Farben des Feuers erglühen. Trotz des scharfen Gegenwinds hörte Melina die Stimmen, die dumpf und monoton immer wieder die gleichen Worte sangen: »Awún! … Ahé! … Awún! … Ahé!«
    Der Feuervogel landete direkt neben dem Podest, das im Feuerschein an einen heidnischen Altar erinnerte. Davor stand ein fast unscheinbar wirkendes Gefäß. Melina holte tief Luft. Der Tiegel! Die Zeit lief ihnen davon!
    Morzena sprang elegant vom Rücken des Vogels auf den Boden und ignorierte Melina, die sich durch ihre Fesseln weniger elegant hinunterfallen lassen musste. Zum Glück landete sie auf den Füßen. Als sie nach Morzena Ausschau hielt, sah sie sie auf das Eisdorf zugehen.
    »Salius!«, bellte die Magierin laut, und gleich darauf kam er aus einem der Iglus. Hinter sich her zerrte er eine kleine Person. Melina durchfuhr ein kalter Schrecken, als sie Lianna erkannte.
    »Ich habe mir gleich gedacht, dass der angebliche Zauberer niemand anders sein kann als diese unmagische Dorfkröte!«, rief Salius herüber.
    »Dann kannst du dich auch gleich um die hier kümmern«, erwiderte Morzena und schob Melina in seine Richtung.
    »Was …?«
    Melina verstand nicht ganz, was Morzena bezweckte. Bis diese ihr ganz nahe kam und ins Ohr flüsterte: »Salius ist noch immer der Meister dieser unterwürfigen Kreaturen.« Sie blickte zu den Zauberern. »Ich kann ihn nicht vor ihren Augen besiegen.« Sie zwinkerte Melina zu. »Geh zu Salius … und überrasch mich!«
    Ja, glaubte Morzena denn wirklich, Melina hätte gegen ihn eine Chance?
    Morzena drehte auf dem Absatz um und ging mit weit ausgreifenden Schritten auf das Podest zu. Als sie es fast erreicht hatte, hörte Melina noch einmal ihre Stimme im Ohr – ganz nah, als stünde sie direkt neben ihr: »Das ist dein einziger Weg zurück zu den Menschen.«

Feuernacht

    Fasziniert beobachtete Melina, wie Morzena das Podest betrat – stolz wie eine Feldherrin. Ihr Umhang und ihre Haare flatterten im Nachtwind, als hätte sie ihn eigens für
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