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Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Titel: Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia
Autoren: Martin Clauß
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der Waldboden war voller Feuchtigkeit, und er wollte auf keinen Fall dort niederknien.
    Karla und Johannes beobachteten, wie Haralds Oberkörper langsam hineinglitt. Er ließ sich sehr viel Zeit, und es dauerte lange, bis er mühsam vorwärts zu robben begann und behutsam seine Beine hinter sich herzog, bemüht, die Hose nicht zu beschädigen.
    „Viele Grüße an die Spinnweben!“, rief Karla. „Oder was denkst du, warum ich als Letzte an die Reihe kommen will?“
    „Wie?“, hallte Harald Stimme unwirklich aus dem Inneren der Röhre. „Sprich lauter, ich verstehe dich nicht!“ Kurz darauf gab es ein spuckendes, hustendes Geräusch, und Karla wusste, dass es sich gelohnt hatte, ihn vorzuschicken …
    Seine weiß-grauen Joggingschuhe verschwanden in diesem Moment in der Röhre.
    Nun war er dort drinnen alleine …
    [mit-mir]
    … mit sich.

4
    Das Wichtigste war, Ruhe zu bewahren. Wenn sie den Schrank nicht mit Gewalt aufbekam, musste es andere Mittel geben. Sie durfte sich nicht in etwas hineinsteigern.
    Gina würde nie vergessen, wie Tim sich angehört hatte. Karla hatte sie alle drei gerufen, Gina, Harald und Johannes, und sie hatten dort gestanden und zugehört und hatten sich gefragt, ob es wirklich Tim sein konnte, den sie da drin eingesperrt hatte. Der Riegel war herumgeschoben, die Tür verschlossen, doch es klang, als halte sie ein Tier dort drinnen gefangen. Die Schreie, das Heulen – es war bis heute schwer vorzustellen, dass diese Laute zu einem Menschen gehört hatten. Vielleicht war das einer der Gründe gewesen, warum keiner von ihnen auf den Schrank zustürzte und den kleinen, harmlos wirkenden Riegel einfach öffnete. Sie mussten Angst gehabt haben, mehr Angst davor, den kreischenden, unmenschlich gewordenen Tim herauszulassen, als davor, dass er dort drinnen an einem Herzanfall starb.
    Was nicht geschehen war.
    Was wirklich, wirklich nicht geschehen war.
    Langsam tastete Gina die Wände ab. Es gelang ihr, dies systematisch zu tun, und die Tatsache, dass sie gefasst genug war, um eine Wand nach der anderen von oben bis unten zu untersuchen, machte sie ein bisschen stolz. Der Stolz war schnell vergessen, als sie nichts fand. Keine Vertiefung oder Erhöhung, an der sich etwas bewegen ließ. Die Türen waren so unbeweglich wie die Wände, und selbst die Stange zum Aufhängen der Kleider bewegte sich keinen Millimeter, wenn sie daran zog oder dagegen schlug.
    Wie kam es, dass ihr Herz so schnell pochte, wo sie doch so nüchtern und beherrscht war? Wie kam es, dass ihre Hände zu zittern begannen, obwohl sie sich einbildete, keine Angst zu empfinden? Machte sie sich etwas vor? Scherte sich ihr Körper denn gar nicht um ihren ausgeglichenen Geisteszustand?
    Gina atmete pfeifend ein, streckte die Arme seitlich aus.
    Hatte die Breite ihres Gefängnisses abgenommen? Unmöglich. Das war eine dieser Sinnestäuschungen, von denen man in einer solchen Situation eben nicht verschont blieb. Sie hatte einen Onkel, der unter einer schwach ausgeprägten Klaustrophobie litt. Als er einmal bei ihren Eltern in einem kleinen Zimmer mit schräger Decke übernachtet hatte, hatte er am nächsten Morgen berichtet, dass er die ganze Nacht über wach gelegen sei. „Ich hatte das Gefühl, die Wände und die Decke hätten sich bewegt.“ Das waren seine Worte gewesen.
    Gina schrie auf.
    Die Seitenwände bewegten sich!
    Jetzt, wo sie ihre Handflächen dagegen drückten, spürte sie es zweifelsfrei. Langsam und ohne Holpern krochen sie auf sie zu. Sie taten es fast völlig geräuschlos – nur ein leises Schleifen war zu hören.
    Es konnte aber nicht sein. Wenn die Wände sich wirklich auf sie zu bewegten, auf die Mitte des Schranks zu, dann mussten die Regalbretter auf der linken und rechten Schrankseite herunterfallen, und das hätte sie gehört.
    Mussten sie das wirklich? Nicht, wenn sie anders befestigt waren als normal. So genau hatte sie sie nicht angesehen. Bei einem Wandschrank war es möglich, dass die Regale weit in die Wand hineinragten.
    Sie wusste überhaupt nichts. Sie war einfach so hineingestiegen. Warum hatte sie so etwas Hirnverbranntes getan? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern – ihr Gehirn war leer. Sie konnte sich nur auf die Frage konzentrieren, ob sich die Wände bewegten oder nicht. Nur das war wichtig.
    Die Stange, an die sie ihre Kleider gehängt hatte, bot keinen Widerstand. Die Seitenwände liefen einfach an der Stange entlang. Minutenlang redete sich Gina ein, sie selbst hätte einen
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