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Meister und Margarita

Meister und Margarita

Titel: Meister und Margarita
Autoren: Michail Bulgakow
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der Fremde folgende Nummer hin: Er stand auf, schüttelte dem verblüfften Redakteur die Hand und sagte dabei:
    – Ich möchte Ihnen meinen innigsten Dank aussprechen!
    – Wofür ’n das? –, fragte Besdomny und stutzte.
    – Für diese überaus wichtige Information, die mir, einem Reisenden, außerordentlich interessant erscheint –, erklärte mit bedeutungsschwanger erhobenem Zeigefinger der komische Fremde.
    Die überaus wichtige Information hatte auf den Reisenden offenbar wirklich einen starken Eindruck gemacht, denn er ließ den Blick ängstlich über die Häuser schweifen, als befürchte er, in jedem Fenster mindestens einen Atheisten vorzufinden.
    »Nein, er ist doch kein Engländer …«, sagte sich Berlioz, und Besdomny dachte: »Woher kann der eigentlich so gut Russisch? Das ist außerordentlich interessant!«, und machte schon wieder ein finstres Gesicht.
    – Doch gestatten Sie mir eine Frage –, begann nach unruhigem Schweigen der ausländische Gast, – wohin mit den Gottesbeweisen? Von denen gibt es ja bekanntlich ganze fünf!
    – Je nun! –, bedauerte Berlioz. – Leider sind alle diese Beweise keinen Pfifferling wert und von der Menschheit längst ad acta gelegt. Sie werden mir doch zustimmen, dass es im rationalen Bereich keinen Beweis für die Existenz Gottes geben kann.

    – Bravo! –, rief der Ausländer. – Bravo! Sie haben exakt den Gedanken des unermüdlichen alten Immanuel hierzu wiederholt. Was aber macht der Verrückte? – Erst widerlegt er gnadenlos alle fünf, um dann, wie sich selber zum Spott, einen sechsten zu fabrizieren!
    – Der Beweis von Kant –, lächelte feinsinnig der gebildete Redakteur, – ist ebenfalls wenig überzeugend. Nicht umsonst sagte Schiller, Kants Überlegungen könnten nur Knechten genügen, während Strauß über diesen Beweis nur müde lächeln konnte.
    Berlioz redete weiter und sagte sich dabei: »Wer ist das? Und warum spricht er so fabelhaft Russisch?«
    – Diesen Kant müsste man eigentlich am Schlafittchen packen und für derlei Beweise nach Sibirien schicken! –, brummte Iwan Nikolajewitsch vollkommen unvermittelt.
    – Iwan, bitte! –, murmelte Berlioz konfus.
    Aber der Vorschlag, Kant nach Sibirien zu schicken, hatte den Ausländer kein bisschen verblüfft, ihn vielmehr hellauf begeistert.
    – Genau! Genau! –, rief er aus, und das grüne, Berlioz zugewandte Auge erglänzte. – Da gehört er auch hin! Was hab ich beim Frühstück auf ihn eingeredet! »Mit Verlaub, mein lieber Professor, welch ein Schmarrn! Also, nicht dass es dumm wäre, ganz im Gegenteil, nur eben viel zu abgehoben! Die Leute werden Sie auslachen.«
    Berlioz machte große Augen. »Beim Frühstück? … Mit Kant? … Was faselt er bloß?«, fragte er sich.
    – Dennoch –, sprach der Fremdländer, unbeirrt von Berlioz’ Staunen, zum Dichter, – ist es ein Ding der Unmöglichkeit, ihn nach Sibirien zu schicken, aus dem einfachen Grund, weil er seit über hundert Jahren an einem Ort weilt, der wesentlich weiter entfernt liegt als Sibirien. Ihn dort herauszuholen, ist freilich ganz und gar ausgeschlossen, das können Sie mir glauben!
    – So ein Pech! –, bemerkte der kampflustige Dichter.
    – Das meine ich auch! –, sagte der Fremde mit dem glänzenden Auge und setzte seine Ausführungen fort: – Doch am meisten quält mich die Frage: Wenn es nun Gott nicht gibt, wer, möchte ich wissen, lenkt die Geschicke des Menschen und überhaupt dieser Welt?
    – Na, der Mensch selbst –, sagte Besdomny eilig und sichtlich verärgert über diese zugegebenermaßen ein wenig abstruse Frage.
    – Bei allem Respekt –, entgegnete sanft der Unbekannte, – doch um irgendetwas lenken zu können, brauchte man, meines Erachtens, einen klaren Plan für eine halbwegs vernünftige Frist. Also gestatten Sie mir die Frage, wie der Mensch etwas lenken kann, wenn er – ganz zu schweigen von seiner Unfähigkeit, einen wie auch immer gearteten Plan für die lächerlich kurze Frist von nur, sagen wir, tausend Jahren zu erstellen – nicht in der Lage ist, seinen eigenen morgigen Tag im Voraus zu verwalten? Im Ernst –, jetzt wandte der Fremde sich Berlioz zu, – Sie fangen schon morgen an, sich und andere zu lenken und anzuleiten, kommen sozusagen gerade langsam in Fahrt und haben auf einmal … hehe … ein Lungensarkom … –, hierbei musste der Ausländer genießerisch lächeln, als löse allein der Gedanke an ein Lungensarkom in ihm pure Freude aus, – ja, ein Sarkom –, ließ
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