Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
Autoren: Diego de Silva
Vom Netzwerk:
ehrlich gesagt nicht, ob ich das jetzt gut erklärt habe.«
    Ich nickte pauschal und versuchte fieberhaft zu ergründen, wozu dieser seltsame Fremde mir eine Lektion über Videoüberwachung erteilte – und das auch noch so beflissen. Er hatte sich mittlerweile dermaßen in Fahrt geredet, dass er gar nicht auf die Idee zu kommen schien, dass ich mit seinem Vortrag vielleicht wenig anfangen könnte.
    Nicht dass ich wirklich darauf gebrannt hätte, alles genau mitzukriegen, immerhin hielt mich der gute Mann, den ich noch nicht mal kannte, schon seit fast einer Viertelstunde auf (und das vormittags um zehn – wo ich doch eigentlich eine Stippvisite beim Gericht machen wollte, einfach so, um den neuesten Klatsch und Tratsch zu erfahren), aber ich hörte ihm weiter zu, vor allem wegen des ›Wie-sieht-das-denn-aus‹ .
    »Jetzt aber kommen wir zum Punkt«, sagte mein Gegenüber triumphierend. »Selbst wenn diese Art von Stillstand nur ganz kurz anhält, sagen wir Bruchteile von Sekunden, dann merke ich das sofort. Es könnte nämlich ein Indiz dafür sein, dass es gleich zu einer Störung kommt.«
    Gegen Ende des Satzes zog er ein Ding aus der Tasche, das irgendwie nach einer Fernbedienung aussah, und richtete es auf den Monitor über mir, der angeblich den Schwächeanfall gehabt hatte. Nur dass er auf keinen Knopf drückte, das habe ich genau gesehen.
    »Sie sind also …«, sagte ich und sah ihn auffordernd an.
    »… der Informatikingenieur, der die Videoüberwachungsanlage entwickelt hat«, ergänzte er mit einem Anflug von Emphase.
    »Aah, so ist das«, sagte ich (und meinte damit: ›Endlich kommen wir der Sache näher‹).
    In Wahrheit hatte ich – abgesehen von meinem Desinteresse an der fraglichen Materie – Zweifel an seiner Aufrichtigkeit. Nicht dass ich den Ingenieur direkt verdächtigte, mir Unsinn zu erzählen (obwohl mir das mit dem System-Schluckauf irgendwie spanisch vorkam), aber ich hatte den Eindruck, dass das Objekt (oder besser: das Subjekt) seines Interesses nicht irgendeine technische Fehlfunktion war, sondern der Matrix-Typ, dessen Bewegungen er die ganze Zeit wie gebannt auf dem Monitor verfolgte. Er war einer von diesen Typen, die in öffentlichen Aufzügen einen auf supercool machen und sich für so unwiderstehlich halten, dass sie sich im Spiegel angucken, während sie mit dir übers Wetter reden. Du weißt schon, einer von denen, die sich in ihrer Verblendung einbilden, beim Reden in der Nase bohren zu können und sogar noch flink und weltmännisch genug zu sein, um den Popel rausziehen und ihn bequem zwischen Daumen und Zeigefinger kneten zu können, ohne dass du das mitkriegst. Alles nicht mein Bier – wenn ihm Matrixe mit Zöpfchen gefallen, bitte sehr , dachte ich.
    So habe ich ihm die Hand entgegengestreckt und meine typische Entwindungshaltung eingenommen (Oberkörper leicht nach vorn gebeugt, unverfängliches Lächeln, rechtes Bein schon in den Startlöchern zum Losgehen, so ungefähr im Stil von Alberto Sordi).
    »Es war mir ein, ähm, Vergnügen, Sie kennenzulernen, Herr Ingenieur, aber jetzt muss ich wirklich …«
    »Sie machen auch Strafrecht, Herr Anwalt, oder?«, fiel er mir ins Wort, den Blick (nunmehr ohne jede Scham) fest auf den Fernseher hinter mir gerichtet.
    Ich blieb verdattert mit ausgestreckter Hand stehen, was übrigens eine Haltung ist, die ich nicht ausstehen kann, weil sie einen wirklich unangenehmen Betteleffekt erzeugt.
    »Ich … na ja, kommt schon mal vor«, sagte ich, aber in dem beiläufigen Ton, den man auf derlei aus dem Nichts kommende Fragen anschlägt. Auf Fragen eben, von denen man nicht weiß, wo sie in letzter Konsequenz hinführen.
    Dann zog ich auch endlich meine Hand zurück, aus der inzwischen so was wie eine Prothese geworden war.
    »Kommt schon mal vor«, wiederholte der Ingenieur und betonte jedes Wort. Er sah mich dabei eindringlich an, als wollte er mir signalisieren, dass er sich meine Antwort wirklich gut einprägen würde.
    Dieser neuerliche Hieb Zweideutigkeit ging mir mächtig auf den Wecker.
    »Hören Sie, Sie benehmen sich reichlich merkwürdig, wissen Sie das?«, sagte ich zu ihm und zog eine hässliche Grimasse. Tatsächlich hatte sich mir inzwischen der Kiefer versteift.
    Ingenieur Romolo Sesti Orfeo richtete seinen Blick von Neuem auf den Monitor. Hinter ihm tauchte jetzt Matrix auf und kam mit dem zielstrebigen Schritt dessen, der genau weiß, was er will, auf uns zu.
    »Ja, ich weiß«, antwortete der Ingenieur (seine Stimme
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher