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Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)
Autoren: Annabel Pitcher
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gelächelt, und deshalb habe ich sie reden lassen. Es wäre super, wenn Mum mir ein Tier zum Geburtstag schenken würde. Am liebsten hätte ich eine Spinne. Die könnte mich beißen, und dann hätte ich solche Superkräfte wie Spider-Man.
    Als ich nach dem Film runterging, war der Kuchen fast weg. Ein einziges Stück lag noch auf dem Teller, aber das war nicht ordentlich abgeschnitten, wie ich es gemacht hatte, sondern ganz zerstückelt. Ich ging ins Wohnzimmer. Dad lag schnarchend auf dem Sofa, und an seinem Doppelkinn hingen Krümel. Auf dem Boden lagen drei leere Bierdosen, und an einem Kissen lehnte eine Wodkaflasche. Er hatte anscheinend gar nicht gemerkt, dass der Kuchen komisch schmeckte, weil er so betrunken war. Ich wollte grade wieder nach oben gehen, als mir etwas auffiel. Neben der Urne stand ein Stück Kuchen. Das machte mich irgendwie total sauer. Ich ging zu Rose rüber, und obwohl ich weiß, dass sie tot ist und nichts mehr hören kann, flüsterte ich Heute hab ich Geburtstag, nicht du, und stopfte mir den Kuchen in den Mund.
    Zwei Tage später saß ich hinten im Garten, zeichnete den Goldfisch im Teich und versuchte, nicht dauernd auf den Postboten zu lauern. Ich sagte mir immer wieder, dass kein Paket mehr kommen würde, doch sobald ich Schritte auf dem Weg hörte, rannte ich sofort ins Haus. Ein paar Briefe fielen auf die Türmatte. Nichts von Mum. Aber dann klopfte es an der Tür, und ich riss sie so schnell auf, dass der Postbote erschrocken zusammenzuckte. Ein Päckchen für James Matthews , sagte er, und meine Hände zitterten, als ich es ihm abnahm. Unterschreib hier , sagte der Postbote, und er hörte sich so gelangweilt an, als wisse er nicht, dass grade etwas Wunderbares passierte. Ich kam mir vor wie Wayne Rooney und unterschrieb so schnörklig, als gäbe ich ein Autogramm. Dann drehte sich der Postbote um und ging ganz normal weg, worüber ich froh war. Ich hatte nämlich kurz Angst, Wünsche könnten in Erfüllung gehen. Dann hätte der Postbote einen Hexenschuss gekriegt.
    Ich nahm mein Paket mit nach oben in mein Zimmer, wartete aber noch zehn Minuten, bis ich es aufmachte. Die Adresse war in ordentlichen Großbuchstaben geschrieben. Ich zog die Linien mit dem Finger nach und stellte mir vor, wie Mum sich bemüht hatte, meinen Namen besonders schön zu schreiben. Dann konnte ich ganz plötzlich keine Sekunde länger warten, riss das Papier ab und knüllte es zu einem kleinen Ball zusammen, den ich auf den Boden warf. Die Schachtel verriet gar nichts. Dad hatte mir mal erzählt, dass Rose Geschenkschachteln so gerne gemocht hatte. Sie hatte Raumschiffe, Schlösser und Tunnel daraus gebastelt. Als sie noch klein war, hatte sie wohl die Schachteln interessanter gefunden als die Geschenke.
    Aber ich bin nicht Rose, und ich war froh, dass ich was in der Schachtel rascheln hörte, als ich sie schüttelte. Ich machte sie auf. Mein Herz fühlte sich an wie diese Hasen, die man manchmal nachts an der Landstraße sieht. Erst erstarrte es vor Schreck, dann sprang es los wie verrückt. In der Schachtel lag etwas aus rotem und blauem Stoff. Ich schüttelte es heraus und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd. Der Stoff war weich, und die große schwarze aufgestickte Spinne sah total gefährlich aus. Ich zog das Spider-Man-T-Shirt über und schaute in den Spiegel. Jamie Matthews war verschwunden. Ein Superheld stand jetzt da. Spider-Man.
    Hätte ich dieses T-Shirt schon im Park angehabt, hätte ich mich nicht vor diesen Mädchen gefürchtet. Ich wäre Jas hinterhergerannt, wäre glatt mit einem Fuß auf der Schaukel gelandet und hätte höher und schneller geschaukelt als jeder Mensch zuvor. Dann wäre ich abgesprungen und durch die Luft geflogen, und diese Mädchen hätten Wow gerufen. Dann hätte ich total laut gelacht, HAHAHAHAHA , und vielleicht auch noch geflucht oder so. Ich wäre nicht zitternd und rot im Gesicht wie ein Feigling zehn Meter vor denen stehen geblieben.
    Auf der Karte war ein Fußballspieler im Arsenal-Trikot abgebildet. Mum hatte wahrscheinlich gedacht, er sei von Manchester United, weil beide Clubs rote Trikots tragen. Auf der Karte stand Für meinen großen Jungen zu seinem zehnten Geburtstag. Ich wünsche dir einen tollen Tag, alles Liebe Mum. Darunter hatte sie drei dicke Küsse gezeichnet. Ich hätte nicht geglaubt, dass man noch glücklicher sein kann, bis ich das PS las. Und ganz bald kannst du mir dein neues T-Shirt vorführen. Ich freu mich schon drauf!
    Ich
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