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Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)
Autoren: Annabel Pitcher
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und guckte auf mein Heft und wünschte mir, ich hätte über Eisessen oder Freizeitparks oder Planschen im Meer schreiben können.
    Noch fünf Minuten , sagte Mrs. Farmer, trank einen Schluck Kaffee und schaute auf ihre Uhr. Zwei Seiten müsst ihr alle haben, und vielleicht schafft ja auch jemand drei . Ein Junge schaute auf. Mrs. Farmer zwinkerte ihm zu, und die Brust des Jungen schien vor Stolz anzuschwellen. Dann beugte er sich so weit vor, dass seine Nase fast den Tisch streifte, und schrieb ganz schnell Tausende von Wörtern über seine wunderbaren Ferien.
    Drei Minuten noch , sagte Mrs. Farmer. Mein Füller klebte oben auf der zweiten Seite fest und hatte da einen Klecks gemacht, weil ich ihn sieben Minuten lang nicht bewegt hatte.
    Denk dir was aus . Die Stimme war ganz leise, und ich dachte zuerst, ich hätte mir das Ganze eingebildet. Ich schaute Sunya an. Ihre Augen glitzerten wie Pfützen in der Sonne. Sie waren dunkelbraun, fast schwarz. Auf dem Kopf trug Sunya ein weißes Tuch, das ihre Haare bedeckte. Nur ein einziges Haar schaute heraus, und das war schwarz und glatt und glänzte wie Lakritze. Sunya schrieb mit der linken Hand, und an ihrem Handgelenk klirrten sechs Armreifen. Denk dir was aus , flüsterte sie noch einmal und lächelte. Ihre Zähne sahen besonders weiß aus, weil ihre Haut braun war.
    Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Muslime hatten meine Schwester umgebracht, aber ich wollte auch an meinem ersten Schultag nicht gleich Probleme kriegen. Ich verdrehte die Augen, als sei Sunyas Rat völliger Blödsinn, doch dann rief Mrs. Farmer Noch zwei Minuten , und ich schrieb los wie verrückt. Ich erzählte von Achterbahnen und Strandausflügen und Krabben in Felstümpeln. Ich beschrieb, wie Mum sich halb kaputtgelacht hat, als Möwen sich auf ihre Fischstäbchen mit Pommes stürzten, und wie Dad mir die größte Sandburg der Welt gebaut hat. Erst schrieb ich, die sei so groß gewesen, dass meine ganze Familie reinpasste, aber das klang übertrieben, deshalb strich ich es durch und schrieb, dass Jas einen Sonnenbrand kriegte, aber Rose schön braun wurde. Hier stockte ich eine Millisekunde, weil alles andere zwar auch erfunden war, aber die Sache mit Rose war die größte Lüge. Dann rief Mrs. Farmer Sechzig Sekunden, und mein Füller raste über das Blatt, und plötzlich hatte ich noch einen ganzen Absatz über Rose geschrieben.
    Die Zeit ist um , rief Mrs. Farmer. Wer möchte den anderen von seinen Ferien erzählen? Sunyas Arm fuhr in die Luft, und ihre Armreifen klingelten wie diese Glocken an Ladentüren. Mrs. Farmer zeigte auf Sunya und dann auf den Jungen mit der stolzgeschwellten Brust und auf zwei Mädchen und mich, obwohl ich mich gar nicht gemeldet hatte. Ich wollte Nein, danke sagen, aber die Worte wollten nicht aus meinem Mund kommen. Als ich mich nicht rührte, sagte Mrs. Farmer irgendwie sauer Na komm schon, James, und ich stand auf und ging nach vorne. Meine Schuhe fühlten sich schwerer an als sonst, und jemand zeigte auf den Fleck auf meinem Spider-Man-Shirt. Chocos machen die Milch schön braun, das schmeckt super, doch wenn man was verschüttet, gibt es blöde Flecken.
    Der Junge mit der stolzgeschwellten Brust kam zuerst dran, und er las und las, und Mrs. Farmer fragte Wie viele Seiten waren das, Daniel?, und Daniel sagte Dreieinhalb und sah aus, als würden ihm gleich die Augen aus dem Kopf fallen, weil er vor Stolz fast platzte. Danach wurden die beiden Mädchen aufgerufen, Alexandra und Maisie, und in ihren Aufsätzen kamen viele Partys und Reisen nach Paris und Hundebabys als Geschenke vor. Dann war Sunya dran.
    Sie räusperte sich und kniff die Augen so zusammen, dass sie wie glitzernde Schlitze aussahen. Es hätten wunderbare Ferien sein können , fing sie an. Dann verstummte sie und blickte im Zimmer herum. Draußen hörte man einen Laster brummen. Auf der Website sah das Hotel echt toll aus, las Sunya weiter . Es lag in einem schönen Wald, und weit und breit gab es kein anderes Haus. Ideal zum Ausruhen, sagte Mum. Aber sie irrte sich. Daniel verdrehte die Augen. In der ersten Nacht konnte ich nicht schlafen, weil es draußen stürmte. Etwas klopfte dauernd an mein Fenster, und ich dachte, es sei nur ein Ast. Aber es hörte auch nicht auf, als der Sturm sich gelegt hatte. Deshalb stand ich auf und öffnete die Vorhänge. Sunya kreischte plötzlich so laut los, dass Mrs. Farmer vor Schreck fast vom Stuhl gefallen wäre. Dann redete Sunya ganz schnell weiter. Da war
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