Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine letzte Stunde

Meine letzte Stunde

Titel: Meine letzte Stunde
Autoren: Andreas Salcher
Vom Netzwerk:
die letzte Stunde nur ein Punkt wäre, das Omega, das für das Ende steht. Die letzte Stunde ist aber das Alpha und das Omega unseres Lebens. Unsere letzte Stunde beginnt, wenn wir das erste Mal an sie denken, und sie dauert bis zu unserem letzten Atemzug. Alpha und Omega sind nicht zwei einzelne Punkte, wenn man das berühmte Bibelzitat von Jesus richtig interpretiert: „Siehe, ich komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn, und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.“
    Man muss diesen Satz Jesu mit den Ohren jener Menschen hören, die ihn überliefert haben. Und das waren Juden, Menschen, die wie Jesus Aramäisch zur Muttersprache hatten, die im Denken der Semiten beheimatet waren. Und wenn die Semiten den Anfangs- und den Endpunkt einer Strecke benennen, dann meinen sie damit nicht zwei einzelne Punkte, sie meinen die ganze Strecke dazwischen.
    Im Kapitel über die Zwischenbilanz unseres Lebens hatten wir schon den so wichtigen Gedanken, dass wir die Punkte unseres Lebens erst im Nachhinein zu einer Linie verbinden können. Wenn wir jetzt über das Alpha und Omega nachdenken, über Anfang und Ende, kommen wir vielleicht zu dem Punkt, an dem wir das Ende betrachten und auf einmal den Anfang erkennen können.
    Wer sein ganzes Leben nach Qualität sucht, wird sie auch in der letzten Stunde erleben. Nur wer lernt, in seinem Leben immer mehr Genauigkeit sich selbst und anderen gegenüber zu entwickeln, wird auch in der letzten Stunde die notwendigen menschlichen Qualitäten erreicht haben. Es geht immer um den Versuch der Annäherung an das eigene Licht – selbst wenn die Umfeldbedingungen sehr schlecht sind, weil man von großen privaten, gesundheitlichen oder finanziellen Sorgen geplagt wird. Der Unterschied, ob man 10.000 Euro Schulden hat oder 10 Millionen, ist viel größer als man glaubt. Die 10.000 Euro Schulden drücken viel mehr als die 10 Millionen. Die kleinen Sorgen, die kleinen Schmerzen und die kleinen Probleme sind immer riesig, wenn es die eigenen sind. Aber genau in diesen Momenten hindert uns niemand daran, einen Freund anzurufen und ihm zu sagen: „Es gibt heute keinen besonderen Anlass, ich habe nur gerade an Dich gedacht und wollte Dir sagen, wie wichtig mir unsere Freundschaft ist.“ Es ist ganz einfach, Menschen, die schon so lange nichts mehr von uns gehört haben, einen persönlichen Brief oder eine liebe E-Mail zu schreiben. Wir können jeden Tag entscheiden, welchen Weg wir gehen, welche Qualität wir wählen. Sei sanft zu Dir, aber schaue nicht weg und leiste Dir Genauigkeit in den kleinen Dingen:
     
    Gedanken – Gedankenlosigkeit
    Dankbarkeit – Undankbarkeit
    Hinschauen – Wegschauen
    Achtsamkeit – Nachlässigkeit
    Zuhören – Weghören
     
    Jede dieser Entscheidungen ist ein Punkt auf der Strecke vom Alpha zum Omega, und die Summe dieser Punkte wird dann Deine letzte Stunde sein. Das Geheimnis der letzten Stunde ist, dass sie nicht einen Zugang, sondern viele Kanäle hat. Man kann nie alle Kanäle gleichzeitig öffnen, aber man kann sein Leben lang daran arbeiten, dass diese im entscheidenden Augenblick verfügbar sind: der Kanal der Freunde, der Kanal seiner menschlichen Qualitäten, der Kanal des Anspruchs an seine Arbeit, der Kanal des würdigen Umgangs mit seinen Beschränkungen und vor allem der wichtigste Kanal – der Kanal der Liebe. Dort ist das Licht. Der Wunsch, Licht in die Finsternis zu bringen, ist ganz tief in uns verankert. Licht, damit wir die Welt um uns herum besser sehen, und Licht, damit wir die Welt in uns besser erkennen. Dein Licht und Dein Dunkel bestimmst Du selbst. Der Einzelne kann die Welt verändern, seine Welt. Das verlangt nur die Fähigkeit, auf sein Leben hinzuschauen und in Ruhe darüber nachzudenken. Leiste Dir zumindest hin und wieder diesen Luxus des Reflektierens. Schaue manchmal in den Spiegel und frage Dich, ob Du Ja zu dem sagen kannst, was Du dort siehst, dann ist schon viel erreicht.
    Ich habe Dir meine Ängste, mit diesem Buch zu scheitern, nicht vorenthalten. Ich möchte Dir jetzt ganz am Ende auch meine größte Hoffnung sagen: Dass Du selbst beginnst, ein Buch zu schreiben. Die wichtigsten Sätze wirst Du in diesem Buch nicht geschrieben finden. Es sind Deine Gedanken dazu. Damit sie nicht verloren gehen, schreibst Du sie am besten selbst hinein. Je mehr Sätze von Dir in diesem Buch dazugeschrieben sind, umso mehr wird am Ende der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher