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Meine gute alte Zeit - Teil I

Meine gute alte Zeit - Teil I

Titel: Meine gute alte Zeit - Teil I
Autoren: Agatha Christie
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santes gesagt h a ben!«
    Vater zerbricht sich den Kopf, um ihr gefällig zu sein, aber es fällt ihm nichts ein. Schließlich erzählt er, dass M. immer noch zu knausrig ist, um sich eine Zeitung zu ka u fen. Er kommt in den Klub, liest dort sein Lei b blatt und kann es nicht lassen, die Neuigkeiten an die anderen Mi t glieder weite r zugeben. »He, Freunde, was sagt ihr dazu? An der indischen Nordwestgrenze…« Man ist sehr verä r gert, denn M. ist eines der reich s ten Mitglieder.
    Mutter, die das alles schon einmal gehört hat, ist nicht zufrieden gestellt. Vater verfällt wieder in stille Bescha u lichkeit. Er lehnt sich in se i nen Sessel zurück, streckt die Beine dem Kaminfeuer entgegen und kratzt sich am Kopf (ein Zeitve r treib, der ihm untersagt ist).
    »Woran denkst du, Fred«, erkundigt sich Mutter.
    »An nichts«, antwortet mein Vater wahrheitsgetreu.
    »Aber du kannst nicht an nichts denken!«
    Seine Antwort gibt Mutter immer wieder Rätsel auf. Für sie ist das u n vorstellbar. Gleich fliegenden Schwalben schießen ihr die Geda n ken durch den Kopf. Weit davon entfernt, nichts zu denken, denkt sie für gewöhnlich an drei Dinge zur selben Zeit.
    Erst viele Jahre später wurde mir klar, dass die Vorste l lungen meiner Mutter stets ein wenig von der Wirklic h keit abwichen. Sie sah das Universum viel farbiger, als es tatsächlich war, die Menschen besser oder schlechter, als sie schienen. Vielleicht, weil sie in ihrer Kindheit ausg e glichen und verhalten gewesen war und ihre G e fühle nicht an die Oberfläche hatte gelangen lassen, neigte sie dazu, die Welt als Kette dramatischer, wenn nicht gar melodramatischer Ereignisse wahrzunehmen. Ihre schö p ferische Vorstellungskraft war so stark, dass sie nie i m stande war, die Dinge als alltäglich oder gewöhnlich anz u sehen. Auch hatte sie intuitive Momente; sie wusste plöt z lich, was ein Mensch gerade dachte. Als mein Bruder ein junger Mann war und in der Armee diente, geriet er einmal in finanzielle Schwierigkeiten, von denen die E l tern nichts wissen sol l ten. Wie er nun eines Abends mit sorgenvoller Miene dasaß, musterte sie ihn plötzlich und sagte: »Hör mal, Monty, du warst bei einem Geldverle i her. Denkst du da r an, ein Darlehen auf das Testament deines Großvaters aufzunehmen? Das sol l test du nicht. Es wäre besser, du gingest zu Vater und redetest mit ihm.«
    Mit dieser ihrer Gabe überraschte sie die Familie immer wi e der von Neuem. Meine Schwester sagte einmal: »Wenn ich etwas habe, das Mu t ter nicht wissen soll, wage ich nicht, auch nur daran zu denken, wenn sie im Zimmer ist.«
     
     
    2
     
    Es ist schwer, sich auf seine erste Erinnerung zu besi n nen. Ich erinnere mich genau an meinen dritten G e burtstag. Die Wichtigkeit meiner Pe r son beherrschte mein Bewusstsein. Wir tranken Tee im Garten – in j e nem Teil des Gartens, wo später zwischen zwei Bäumen eine Schaukel hin- und herschwingen sollte.
    Ich sehe einen Teetisch, bedeckt mit mancherlei K u chen und meiner Geburtstagstorte, komplett mit Zucke r glasur und Ke r zen in der Mitte. Drei Kerzen. Und dann eine aufregende Ep i sode: eine winzige rote Spinne, so klein, dass ich sie kaum s e hen kann, läuft über das weiße Tischtuch. Und Mutter sagt: »Es ist eine Glücksspinne, Agatha, eine Glücksspinne zu de i nem Geburtstag…« Und dann verblasst die Erinnerung bis auf die bruc h stückhafte Reminiszenz eines endlosen Di s puts über die Frage, wie viele Eclairs mein Bruder essen dürfte.
    Die wunderschöne, sichere und doch so aufregende Welt der Kin d heit. In meiner war es vielleicht der Garten, der mich mehr als alles andere gefangen nahm und mir von Jahr zu Jahr mehr bedeutete. Schon in meiner frühe s ten Vorstellung bestand er aus drei verschied e nen Teilen.
    Da war zunächst der Gemüsegarten – umschlossen von e i ner hohen Mauer, die an die Straße grenzte –, der mich nur insofern interessierte, als er Himbeeren und grüne Äpfel liefe r te, die ich in großen Mengen verzehrte. Es war der Gemüs e garten und nicht mehr. Er besaß nichts, was mich hätte beza u bern können.
    Dann gab es den eigentlichen Garten – eine Rasenfl ä che, die sich talwärts senkte und über die eine Anzahl höchst interessanter pflanzl i cher Gebilde verstreut war: eine Steineiche, eine Zeder, ein besonders hoher Ma m mutbaum sowie zwei Ta n nen, die, ich weiß nicht mehr wie, etwas mit meinen Geschwi s tern zu tun hatten. Ich erinnere mich auch noch an einen von mir
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