Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)

Titel: Meine Familie, der tägliche Wahnsinn und ich - Gesamtedition (German Edition)
Autoren: Angelika Hesse
Vom Netzwerk:
Diskussion.
     
    „Küsschen, Paulchen. Die Mami ist jetzt weg.“ Eifrig schiebt Frau Steffens den fünfjährigen Paul in den Gruppenraum. „Ich muss schnell nach Hause meinen Mann ablösen. Meine Kleine hat schon wieder Fieber. Ob das noch eine Impfreaktion auf die Windpocken Impfung von vorletzter Woche ist?“
    „Du lässt sie gegen Windpocken impfen? Das schwächt doch so das Immunsystem. Luisa habe ich nur das Nötigste impfen lassen. Hast du es schon mit Belladonna versucht? Greif bloß nicht sofort zu chemischen Fiebermitteln.“
    „Am Marktplatz hat der neue Kinderarzt aufgemacht. Der soll sehr gut sein. Geh doch mal da hin. Dr. Piper taugt doch nichts.“
    „Nicht, dass es Pfeifferisches Drüsenfieber ist. Das hat der Kleine meiner Cousine letztens gehabt. Hat Wochen gedauert, bis das diagnostiziert wurde.“
    „Oder es ist ein Magen-Darm Infekt. Geht im Moment ja wieder um. Was meinst du, Heidi?“
    Erwartungsvoll richten sich vier Mutteraugenpaare auf mich. 
    „Magen-Darm, bestimmt Magen-Darm“, stimme ich zu und winke Sara noch ein letztes Mal zu, bevor ich entfliehe.
     
    Meine Mutter wohnt seit dem Tod meines Vaters vor fünf Jahren allein in dem kleinen Häuschen. Im kanariengelben Bademantel und ihrer Lieblingsspruch Tasse „Gepriesen sei, der einst entdeckt, den Zauber der im Kaffee steckt“ in der Hand öffnet sie die Tür. Meine Mutter sammelt Kaffeetassen und Sprichwörter.
     
    „Ach, guten Morgen, mein Kind. Komm rein. Magst du einen Kaffee?“
    „Ne, lass mal. Ich will direkt los. Ich muss ein paar Sachen erledigen. Lieb, dass du Lena schon wieder nimmst. Jetzt musst du wegen uns wieder so früh aufstehen“
    „Morgenstund hat Gold im Mund“, lacht sie. „Ich mache das doch gerne. Nicht, Lenchen? Die Omma freut sich doch, wenn ihr kleines Schätzchen kommt.“
    Lena marschiert zielstrebig in die Küche, öffnet routiniert den Küchenschrank und wird sofort fündig. Sie angelt eine Packung Schokoladenkekse aus dem Schrank und tapst Richtung Wohnzimmer. Dort lässt sie sich auf dem alten Biedermeier Sofa nieder, zeigt auf den Fernseher und kommandiert. „Oma, komm.“
    Meine Mutter lacht verlegen. „Lenchen, wo hast du denn die Kekse her? Du weißt doch, dass die Mama erst möchte, dass du dein Obst isst. Sonst gibt es bei der Omma nichts. Und Fernsehen schauen wir doch auch nur, wenn die Sesamstraße läuft.“
    „Schon klar Mama.“
    „Ehrlich Heidi, ich habe keine Ahnung, woher sie immer weiß, wo die leckeren Sachen versteckt sind.“
    „Von versteckt kann ja keine Rede sein. Du hortest den Kram ja so passend kindergerecht in den unteren Schränken.“
    Ich reiße Lena die Packung aus der Hand und hole die Tupperdose mit den Apfelvierteln aus der Tasche.
    „Das kannst du essen.“
    Lena heult und Oma läuft tröstend zu ihr. „Lenchen, schau mal. Wenn du dein Äpfelchen nicht isst, wirst du krank und dann musst du zum Onkel Doktor. Ein Apfel am Tag, und der Onkel Doktor bleibt wo er mag.“
    „Habe ich noch einen Bruder von dem ich nichts weiß?“
    „Was meinst du, Heidi?“
    Mein Bruder Jörg ist Informatiker und auch sonst haben wir keine Ärzte in der Familie.
    „Unser Kinderarzt heißt Doktor Eisenleber und wir sind nicht mit ihm verwandt, zumindest weiß ich nichts davon.“
    „Ach so“, lacht sie. „Das sagt man doch nur so.“
     
    Ich packe Lenas Rucksack mit den Wechselsachen und Schmusetuch in den Flur und höre, wie meine Mutter Lena beruhigend etwas zuflüstert. Seit ein paar Jahren hört meine Mutter nicht mehr so gut, vergisst aber, dass meine Ohren noch ganz in Ordnung sind.
    „Du gibst ihr keine Kekse, sobald ich raus bin“, ordne ich drohend an.
    „Nein, natürlich nicht“, meint sie ganz entrüstet.
    „Ich bin doch nicht blöd, ich habe doch gehört, was du ihr zugeflüstert hast.“
    „Was meinst du? Ich habe nur gesagt, dass wir gleich mit der Puppe spielen statt dem Fernsehen anzumachen und Kekse zu essen. Nicht Lenchen?“
    Ich resigniere. Natürlich weiß ich, dass Lena gleich das Rundumsorglos Programm buchen wird. Meine Mutter wird mit Lena auf dem Arm am Wohnzimmerfenster stehen, die Gardine zur Seite schieben und mir zum Abschied winken. Wenn mein Wagen dann um die Ecke gebogen ist, wird sie Lena auf den Boden setzten und sagen. „Jetzt ist die Mami weg. Und was möchte mein Lenchen denn jetzt gerne machen?“ 
    Lenchen wird auf die Schokoladenkekse zeigen und sich wieder vor den Fernseher begeben. Ich sehe genau, mit was meine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher