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Mein wirst du sein

Mein wirst du sein

Titel: Mein wirst du sein
Autoren: Katrin Rodeit
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ich mich seiner Anziehung nicht völlig entziehen. Seine Blicke gingen durch und durch.
    Jetzt saß er im Gastraum, Flocki zu seinen Füßen. Er hatte mir kurz zugenickt und dann wieder zur Seite gesehen.
    Auch Erich Weber war da. Ich fand es nur recht und billig, mich bei ihm zu entschuldigen. Ich tauschte ein paar Worte mit ihm und stellte fest, dass er gar nicht so seltsam war, wie ich gedacht hatte. Er war ein Mann, der seine Frau verloren hatte und Zerstreuung suchte. Er tat mir leid.
    Nun saß ich mit Lou an der Bar und trank einen ›Canchanchara‹.
    Wann war ich zum ersten Mal hier gewesen? Es war die Musik gewesen, die mich veranlasst hatte, den ›Jazz-Keller‹ zu betreten. Ich wusste nicht mehr, wie es geschehen war, aber eines Abends hatte es einen Karaoke-Wettbewerb gegeben. Angesäuselt vom Whiskey hatte ich mitgemacht. Und nicht nur gewonnen. Seither sang ich öfter und wann immer mir danach war. Zu Cosimas Leidwesen.
    Lou hatte mich ganz am Anfang gefragt, ob er mich fest engagieren dürfe. Mit richtigem Gehalt und richtigen Auftritten. Ich hatte ihn ausgelacht, und er hatte eingesehen, dass er keine Chance hatte.
    Mittlerweile waren mir die seltsamen Gestalten im ›Jazz-Keller‹ zu einer Familie geworden und ich genoss es, hier zu sein.
    Lous Pakete waren noch immer nicht abgeholt worden. Schließlich hatte er sich breitschlagen lassen, nachzusehen, was drin war. Auch ihm war daran gelegen, nicht noch mehr Ärger zu bekommen.
    Also waren wir vorhin in den Keller gestiegen und hatten einen Karton aufgerissen. Ich hatte versucht, mich auf alles einzustellen.
    Doch mir blieb die Spucke weg, als ich den Inhalt sah. Die Kartons waren voller Spitzenunterwäsche.
    Ratlos und schließlich lachend hatten wir uns angesehen. Wir hatten wahllos noch vier weitere geöffnet, deren Inhalt sich aber nur in der Farbe unterschied.
    Wie auf Bestellung rief dann auch zehn Minuten später der Besitzer der ominösen Pakete an. Er hatte mit einem Blinddarmdurchbruch im Krankenhaus gelegen und war deswegen nicht erreichbar gewesen.
    Ich überließ es dem verlegen von einem Fuß auf den anderen hüpfenden Lou, ihm zu erklären, warum er die Kartons geöffnet hatte, und ging stattdessen an die Bar.
    Wenig später kam Lou nach und drückte mir einen Umschlag in die Hände.
    »Danke«, sagte er, und schon wieder glänzten seine Augen.
    Ich nahm das Geld und steckte es in die Handtasche. Himmel, ich hatte fast mein Leben verloren, da brauchte ich kein schlechtes Gewissen mehr zu haben.

    Als ich die Treppe zu meiner Wohnung nach oben ging, bot sich mir dort ein fast vertrauter Anblick.
    Mark saß auf dem obersten Treppenabsatz und sah mir entgegen. Seinem Blick konnte ich nichts entnehmen.
    »Um der guten alten Zeiten willen?«, fragte ich halb scherzhaft, als ich an ihm vorbeiging und er sich erhob.
    »Mag sein.«
    In seinen Augen brannte ein Feuer. Ein Feuer, das ich nur zu gut kannte. Es würde alles verkomplizieren. Und doch spürte ich, dass ich es ebenso wollte.
    Ich öffnete die Tür, die gestern ersetzt worden war, und ging hinein. Mark folgte mir, ohne ein Wort zu sagen.
    Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter, warm und angenehm beruhigend, und drehte mich zu ihm um. Sein Aftershave war noch immer dasselbe wie damals. Ich hätte es nie zugegeben, aber es hatte Zeiten gegeben, in denen ich mich nach diesem Geruch gesehnt hatte.
    »Hübsches Kleid«, sagte er, und seine Stimme klang rau. Er sah von oben auf mich herab, seine Augen funkelten. »Was für Geheimnisse hast du noch?«
    »Ich? Geheimnisse?«
    Lächelnd versuchte ich, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Ich wusste, dass ich nicht lang widerstehen konnte. Mein Magen schien auf und ab zu hüpfen.
    »Ich habe das Bauchnabelpiercing gesehen. Neulich im Krankenhaus.« Seine Lippen waren nur Zentimeter von meinem Mund entfernt. Sein Gesicht war noch immer kantig, aber es hatte weiche Züge angenommen.
    »Und?«
    »Du bist völlig anders als damals. Aber ich glaube, du bist noch immer die gleiche Person.«
    »Dann finde es doch heraus«, flüsterte ich zurück und wusste, dass es kein Zurück mehr gab.
    Der Kuss raubte mir die Sinne, und kleine Blitze explodierten hinter meinen geschlossenen Lidern, als ich seine Lippen auf meinen spürte. Sie fühlten sich an wie damals. Und doch war es etwas völlig Neues.

    E N D E

Danksagung
    Umberto Eco hat ein geflügeltes Wort des Erfinders der Glühbirne, Thomas Edison, auf das Schreiben projiziert. Sinngemäß lautet
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