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Mein wirst du sein

Mein wirst du sein

Titel: Mein wirst du sein
Autoren: Katrin Rodeit
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essen und ließ mir Badewasser ein.

Sonntag
    Etwas musste ich noch erledigen. Zwar sträubte sich in mir alles, aber ich zwang mich. So viel Anstand musste sein.
    Diesmal nahm ich die Treppe in den dritten Stock, dabei war mir wohler, als im engen Aufzug.
    Trotz Geruch nach Sechzigerjahre und gekochten Zwiebeln atmete ich tief durch, als ich den langen Flur betrat und schließlich vor der Wohnungstür meiner Mutter stand.
    Die Tür war angelehnt, von meiner Mutter fehlte jede Spur. Ich seufzte leise und stieß den Spalt mit dem Fuß weiter auf. Empfangen wurde ich von sphärischen Klängen und dem verdammten Traumfänger, der im Flur noch immer von der Decke baumelte und mein Haar streifte.
    Meine Mutter saß im Schneidersitz mit geschlossenen Augen auf einem Sofakissen und wiegte den Oberkörper leicht hin und her.
    Es war keine gute Idee gewesen, hierher zu kommen, auch wenn die Motive durchaus ehrenhaft gewesen sein mochten.
    Ich blieb stehen und sah ihr eine Weile zu. Nach einer gefühlten Ewigkeit räusperte ich mich verärgert. Sie wusste, dass ich hier war, hatte mir ja die Tür geöffnet. Verdammt, sie machte es mir wirklich nicht leicht.
    »Hallo«, sagte sie schließlich in neutralem Ton und erhob sich, ohne mich jedoch anzusehen. Sie bot mir nichts zu trinken an, und irgendwie war ich auch froh. Noch einmal so ein scheußliches Gebräu musste nicht sein. »Nun?«
    Ja. Nun.
    »Ich möchte mich bei dir entschuldigen«, würgte ich hervor und wusste selbst nicht, warum eigentlich.
    Meine Mutter beschäftigte sich mit esoterischen Spinnereien, hatte an Séancen teilgenommen und behauptet, mit Geistern kommuniziert zu haben. Und was das Schlimmste war: Auch wenn ich mich dagegen sträubte und wehrte, etwas musste dran gewesen sein an all diesen Dingen.
    Ich schüttelte mich allein beim Gedanken daran und versuchte, nicht darüber nachzudenken, was das zu bedeuten hatte. Das wollte ich höheren Mächten überlassen, für mich war das nichts.
    »So, entschuldigen möchtest du dich.«
    Ich nickte feierlich. Am besten ich brachte es hinter mich, bevor neue Geister sie heimsuchten und mir Arbeit bescherten.
    Sie sah mich einen Moment an, ehe sie loslegte.
    »Weißt du eigentlich, dass ich ganz schön wütend war? Ich habe es gut gemeint. Mit dir und mit Susanne. Und was machst du stattdessen? Alles ins Lächerliche ziehen, deine Mutter heimlich für verrückt erklären. Ja, aber so ist es nicht gewesen. Die spleenige Mutter hat recht gehabt.«
    Dem hatte ich nichts hinzuzufügen, also hielt ich Klappe, den Blick schuldbewusst zu Boden gesenkt.
    Und ehe ich mich versah, riss sie mich an ihren voluminösen Busen und drückte mich an sich. Um mich gleich darauf wieder ein Stück wegzuschieben und mich mit schräg gelegtem Kopf eingehend zu betrachten. Dann nötigte sie mich auf eines der Kissen am Boden, und ich sank wie gefällt nieder.
    Mit den Worten »Ich hole uns jetzt erst einmal eine schöne Tasse Tee!«, verschwand sie in der Küche. »Wie geht es dir eigentlich?«
    Ein kleiner Teil von mir warnte mich eindringlich. Aber ich schob ihn stolz beiseite und holte Luft, um von den Ereignissen der letzten Tage zu erzählen.
    »Du glaubst nicht, was mir passiert ist«, sagte meine Mutter in dem Moment und strahlte mich mit zwei selbstgetöpferten Bechern voller Tee in der Hand an.
    Der Stolz war verschwunden, das kleine Teufelchen auf meiner Schulter raunte mir ein: »Hab ich’s dir doch gleich gesagt!« ins Ohr.
    Und ich? Ich seufzte einfach nur, nahm den Becher in die Hand, nippte artig, würgte ein bisschen und schwor mir, dass das für lange Zeit der letzte Besuch bei meiner Mutter gewesen sein sollte.

    Ich stieg aus dem Taxi, bezahlte und ging auf die Tür des ›Jazz-Kellers‹ zu. Ich trug das rote Kleid und zog den bewundernden Blick eines Gastes auf mich. Ich kannte ihn nicht.
    Begleitet von den leisen Klängen des Jazz, den ich so liebte, ging ich hinein und blinzelte in dem schummrigen Licht.
    Der heutige Abend würde nicht ausarten, das wusste ich. Ein bisschen auf den Erfolg und mein Leben anstoßen, das war alles. Ich hatte noch keine Stimme, um wieder richtig zu singen, und die Ärzte meinten, es würde noch dauern. Cosima würde sicher froh sein darüber. Andreas vermutlich auch.
    Ich musste mir eingestehen, dass ich ihn zeitweise zu den Verdächtigen gezählt hatte, wenn ich das auch nicht wirklich hatte wahrhaben wollen. Noch immer fand ich ihn sonderbar, ja, furchteinflößend. Und doch konnte
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