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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Autoren: Michail Chodorkowski
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wollen. Bei aller Befangenheit wage ich zu behaupten: Dass diese Veränderungen kommen, ist nur eine Frage der Zeit.
    Ich selbst habe jedenfalls vor, zum Wohl der Generationen zu wirken, die dieses Land schon sehr bald übernehmen werden. Der Generationen, die wirklich Veränderungen wollen. Der Generationen, mit denen neue Werte und neue Hoffnungen auf den Plan treten.

NATALIJA GEWORKJAN
    Anstelle eines Vorworts
    Es ging auf Weihnachten zu, und ich war auf der Suche nach einer passenden Karte. Der einzigen, die ich verschicken wollte. Der Besitzer des Geschäfts in der Rue du Geoffroy kannte mich. Ich bin ganz vernarrt in dieses Pariser Geschäft, das wie aus einer anderen Welt ist: mit Federhaltern, handgeschöpftem Papier und naiv gestalteten Karten. Er wies auf die Ecke, wo die Weihnachtskarten zu finden waren; ich setzte mich einfach auf den Fußboden und begann die Karten zu durchstöbern. Plötzlich fragte jemand neben mir: »Aber sagen Sie mal, wozu denn noch Karten schicken, wenn alle schon E-Mails schreiben?« »Da, wo ich sie hinschicke, kommen keine Mails an«, sagte ich, ohne aufzublicken. Die junge Frau ließ nicht locker: »Wo soll das denn sein, wo keine Mails ankommen?« »In Sibirien, im Gefängnis«, antwortete ich, ohne meine Suche zu unterbrechen. Eine Pause, unerwartete Stille. Endlich blickte ich auf und sah, wie die wenigen Kunden im Geschäft und auch der Besitzer mich irgendwie betreten ansahen. Die Frau war eine Reporterin von France 2 , neben ihr stand ein junger Mann mit einer Kamera und noch einer mit einem Mikrofon. »Sibirien? GULAG ?«, fragte die Frau weiter nach. »Ganz genau«, nickte ich. Sie bat mich, das noch einmal in die Kamera zu sagen. Ich habe ein Prinzip: Journalistenkollegen schlage ich solche Bitten nicht aus. Also stand ich auf und wiederholte: »Ich möchte meinem Bekannten eine Karte nach Sibirien schicken. Er ist Geschäftsmann. Er sitzt dort im Gefängnis. Und ich hoffe sehr, dass er sie bekommt.« Die Kamera wurde ausgeschaltet. Die Leute im Geschäft traten nun näher und sagten, dass alles gut würde, dass die Karte auf jeden Fall ankäme und man ihn gewiss freilassen würde. Erstaunlicherweise fragte niemand, wofür mein Bekannter eigentlich einsitzt. Für diese Leute ist Sibirien, ist der Gulag ein Symbol der Ungerechtigkeit. Punkt. Der Besitzer des Geschäfts winkte ab, als ich zahlen wollte, und legte noch einen passenden Umschlag zur Karte und einige Blatt Papier mit handgearbeiteten Monogrammen dazu – für einen Brief. Die Journalistin holte mich draußen ein. »Darf ich fragen, wie er heißt, Ihr Bekannter?« »Chodorkowski«, antwortete ich. Die junge Frau gab sich alle Mühe, den schwierigen Namen aufzuschreiben. Er sagte ihr nichts. Sie sah mich an: »Und wer ist das?« Ich überlegte. »Die einen sagen: ein Genie, die anderen: ein Krimineller.«

NATALIJA GEWORKJAN
    EINFÜHRUNG
    Ein russischer Kafka
    Ein Schwächling, Lügner, Volksbetrüger,
    als tatenloser Geck bekannt,
    durch Zufall nur berühmt als Sieger,
    beherrschte damals unser Land.
    ALEXANDER S. PUSCHKIN, Eugen Onegin 1
    MBC – so nennen ihn alle. Die drei Initialen von Michail Borissowitsch Chodorkowski. Er selbst unterschreibt auch so. Seine Freunde nennen ihn manchmal »Chaider«. Außerdem war er bekannt als der reichste Russe, Eigentümer von Yukos, der besten Erdölgesellschaft im Land. Jetzt nennt man ihn »Russlands wichtigsten Gefangenen«. Die kürzeste Geschichte über MBC habe ich bei einem französischen Fremdenführer aufgeschnappt, der russischen Touristen in Vaux-le-Vicomte, einem nahe Paris gelegenen Schloss des 17. Jahrhunderts, von dessen einstigem Besitzer Fouquet erzählte – eben jenem Oberintendanten Fouquet, der auf Geheiß Ludwigs XIV . von d’Artagnan verhaftet wurde. Der Fremdenführer erzählte in etwa Folgendes: »Und so kam also der König in dieses prunkvolle Schloss. Über dem Eingang sah er das Motto, das, aus dem Lateinischen übersetzt, lautet: ›Es gibt keine Höhen, die ich nicht erreichen könnte‹; er sah auch den wunderbaren Park, in dem ihm zu Ehren ein zauberhaftes Schauspiel inszeniert worden war. Colbert aber machte wegen Fouquets unehrlich erworbenen Reichtums Stimmung. Außerdem sagte man damals, er hätte es auf die Macht abgesehen. Der König war eine Zeitlang bei Fouquet zu Gast, danach gab er den Befehl, ihn zu verhaften. Und weiter verlief alles so wie in der Geschichte über Herrn Putin und Herrn Chodorkowski.«
    Allerdings erlaubte
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