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Mein Sommer nebenan (German Edition)

Mein Sommer nebenan (German Edition)

Titel: Mein Sommer nebenan (German Edition)
Autoren: Huntley Fitzpatrick
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dreht sie sich um, entdeckt mich und lacht verlegen.
    »Du liebe Güte, Samantha! Hast du mich erschreckt.«
    Ihre Wangen sind gerötet, ihre Stimme klingt hoch und mädchenhaft. Es liegt keine Spur von dem strengen, keinen Widerspruch duldenden Ton darin, den sie üblicherweise zu Hause anschlägt, oder der Mischung aus zuckersüß und unerbittlich, die sie für ihre Arbeit reserviert.
    Vor fünf Jahren hat Mom begonnen, sich politisch zu engagieren. Anfangs haben Tracy und ich ihr neues Hobby nicht besonders ernst genommen – schließlich war sie früher noch nicht einmal regelmäßig zur Wahl gegangen. Aber eines Tages kam sie völlig aufgekratzt von einer Kundgebung nach Hause und verkündete ihren festen Entschluss, Senatorin werden zu wollen. Sie kandidierte, gewann, und unser Leben veränderte sich von Grund auf.
    Wir waren stolz auf sie. Natürlich waren wir das. Aber statt uns Frühstück zu machen und vor der Schule noch schnell unsere Hausaufgaben zu kontrollieren, verließ Mom von da an um fünf Uhr morgens das Haus, um nach Hartford zu fahren, »bevor auf den Straßen die Hölle losbricht«. Fast immer tagten irgendwelche Ausschüsse oder es fanden Sondersitzungen statt, die sie bis spät in den Abend hinein aufhielten. An den Wochenenden war keine Zeit mehr, Tracy zum Kunstturnen oder mich zu meinen Schwimmwettkämpfen zu fahren. Stattdessen mussten Wahlkampfveranstaltungen vorbereitet oder diverse offizielle Pflichttermine wie Wohltätigkeitsgalas absolviert werden. Tracy ließ keine Jugendsünde aus. Sie nahm Drogen, trank, klaute, schlief mit zu vielen Jungs. Ich las Stapel von Büchern, nahm mir vor, den Demokraten beizutreten (Mom war bei den Republikanern) und verbrachte mehr Zeit denn je damit, die Garretts zu beobachten.
    Aber zurück in die Gegenwart: Während ich immer noch völlig sprachlos dastehe, dreht sich der Mann, den meine Mutter noch bis vor wenigen Sekunden entgegen all ihrer sonstigen moralischen Wertvorstellungen so leidenschaftlich vor unserer Haustür geküsst hat, zu mir um und lächelt freundlich. Ich ziehe geräuschvoll die Luft ein.
    Als hochschwangere Mutter eines Kleinkinds, die von ihrem Mann verlassen wird, stellt man sich kein Bild von ihm auf den Kaminsims. Wir besitzen nur ein paar Fotos von unserem Dad, und die sind alle bei Tracy im Zimmer. Trotzdem erkenne ich ihn sofort am markanten Schwung seines Kiefers, den Grübchen, den glänzenden weizenblonden Haaren und den breiten Schultern wieder.
    »Dad?«
    Moms Gesichtsausdruck wechselt von verzückt zu völlig entsetzt, als hätte ich etwas grob Unanständiges gesagt.
    Der Mann tritt einen Schritt näher und streckt mir die Hand hin. Als das Licht aus dem Wohnzimmer auf ihn fällt, sehe ich, dass er viel zu jung ist, um mein Vater zu sein. »Hi, ich bin der neue Wahlkampfberater deiner Mutter und einer ihrer glühendsten Anhänger.«
    Ja, das ist nicht zu übersehen gewesen.
    Als ich nichts sage, sondern ihn nur weiter anstarre, greift er nach meiner Hand und schüttelt sie.
    »Darf ich vorstellen – Clay Tucker.« Mom spricht seinen Namen so ehrfurchtsvoll aus, als stünde er mindestens auf einer Stufe mit Vincent van Gogh oder Abraham Lincoln. Sie wirft mir einen strafenden Blick zu, der ohne Zweifel meinem »Dad?«-Fauxpas von eben gilt, fängt sich aber schnell wieder. »Clay hat bereits diverse nationale Wahlkampagnen betreut. Dass er jetzt für mich arbeitet, ist wirklich ein Riesenglück.«
    Und welche Tätigkeiten beinhaltet diese Arbeit genau? , denke ich, während sie sich kokett eine Haarsträhne hinters Ohr streicht.
    Kokett? Meine Mutter?
    »Ich habe dir ja gesagt«, fährt Mom an Clay gewandt fort, »dass Samantha ein großes Mädchen ist.«
    Ich blinzle. Ich bin knapp eins sechzig und damit alles andere als ein »großes« Mädchen. Dann begreife ich. Sie meint erwachsen. Erwachsen für eine so junge Frau, wie sie es ist.
    »Clay war völlig überrascht, als er erfuhr, dass ich schon eine siebzehnjährige Tochter habe. Er findet, ich würde selbst noch wie ein junges Mädchen aussehen.«
    Ich frage mich, ob sie Tracy erwähnt hat oder sie fürs Erste noch vor ihm geheim hält.
    »Aber du bist genauso schön wie deine Mutter«, sagt Clay, »also muss ich es wohl glauben.« Er spricht mit einem singenden Südstaatenakzent, bei dessen Klang man unwillkürlich an geschmolzene Butter auf Toast oder Hollywoodschaukeln denken muss.
    Clay wirft einen Blick ins Haus. »Das nenne ich mal ein gemütliches
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