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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod
Autoren: Gert Heidenreich
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Menetekel verschwand und machte einer Fratze unter der Kapuze Platz, einer aus Drachenkopf und Wolfsgebiss gemischten Visage. Das schlitzäugige Biest riss seinen Rachen auf und entblößte Reißzähne, von denen Schleim tropfte. Immer mehr Schlangen legten sich um seine Schultern, ringelten sich um seinen Hals.
    Vide cor tuum, wiederholte die dröhnende Stimme, auch auf deins wartet die Hölle.
    Dann wandte das Wesen sich um, lief in eine Gasse zwischen hohen Mauern, an der Seite der Kutte schwang fast waagrecht ein leicht gebogenes Schwert, schließlich verschwand die Gestalt unter Donnerschlägen, während Blitze den Himmel aufrissen.
    Der Bildschirm wurde schlagartig schwarz. Ein grünes Copyrightzeichen erschien, © Maro2011, was nach dem digitalen Mummenschanz absurd wirkte.
    Swoboda musste lachen.
    In meiner Kindheit gab es Geisterbahnen.
    Die gibt es immer noch, sagte Herking, das hier ist etwas anderes. Vielleicht das Bekenntnis eines Mörders. Wenn wir das Passwort herausfinden, zeigt er uns wahrscheinlich das Herz, das diese Verena Züllich aber schon entdeckt hat. Ich bin sicher, dass er uns in die Aegidiuskirche führt und dass in diesem Spiel auch ein Hinweis auf den Verbleib von Iris Paintners Leiche versteckt ist. Aber dazu müsste man das Vide cor tuum durch das Passwort ersetzen, das wir nicht haben.
    Er warf die DVD aus, fasste sie vorsichtig am Rand und steckte sie in eine Plastiktüte. In ihr bewahrte er auch die gepolsterte Versandtasche auf, die an die Redaktion adressiert war.
    Du siehst, ich habe, so gut ich konnte, auf Spuren geachtet, seit ich weiß, worum es hier geht.
    Vielleicht bloß ein Trittbrettfahrer und Wichtigtuer, sagte Swoboda.
    Herking stand auf und übergab ihm die Plastiktüte.
    Ich glaube nicht. Das ist relativ aufwendig gemacht, der hat sich Mühe gegeben. Dafür brauchte er ein paar Programmierkenntnisse, die man erlernen muss, die hat nicht jeder, der sich nur ein bisschen mit der entsprechenden Software auskennt. Ich fürchte, der Bursche ist raffiniert. Und er wird weitermachen.
    Swoboda hielt die Tüte hoch.
    Was soll ich damit?
    Was du immer mit Beweismitteln getan hast: Sichern.

    Swoboda nickte dem Nachtpförtner zu, der ihm die gläserne Drehtür des ZN -Gebäudes freigab, und trat auf den Schillerplatz ins gelbe Laternenlicht. Er hatte das Gefühl, dass der Nachthimmel grauschwarz und lastend wie eine Schieferplatte über ihm lag.
    Bis zur Prannburg war es nur eine Viertelstunde, wenn er die Gassen nahm, die vom Alten Winkel zum Burgweg hinauf führten. Unterwegs konnte er die Plastiktüte mit der DVD im Polizeipräsidium abgeben. Er fühlte sich kraftlos und schwer. Am Montevetrano bei Da Ponte konnte es nicht liegen, der hatte nur 13 Prozent. Am Grappa auch nicht. Wahrscheinlich war es seine Unzufriedenheit mit sich selbst. Gegen seinen Willen sah er sich in einen Fall verwickelt, der ihn mehr beschäftigte, als er sich Herking gegenüber hatte anmerken lassen.
    Die Bilder des Videos lebten in seiner Phantasie weiter. Sie als bombastischen Kitsch abzutun, half nicht.
    Herking hatte vermutlich recht. Obwohl er als Redakteur für Literatur, Theater, Film und Musik zuständig war, schien er einen Riecher für Verbrechen zu haben. Kein Wunder, die meisten Opern, Theaterstücke, Romane handelten mehr oder weniger deutlich von Schandtaten, die verborgen wurden und ans Licht kamen.
    Doch der Typ, der das Video entworfen hatte, war so fasziniert von der eigenen mörderischen Gewalt, dass er sich damit brüsten musste. Er hatte die DVD nicht an die Polizei geschickt, sondern an die Zeitung, das hieß: an die Öffentlichkeit. Nur: Warum sprach er von der Hölle? Was bedeutete der Tierschwanz, den er sich um den Körper gewunden hatte? Was die Schlangen?
    Am Ende der Schwedengasse blieb Swoboda stehen.
    Er war keine vier Minuten unterwegs und funktionierte wieder als Kriminaler. Er ärgerte sich darüber, doch neben dem Ärger war etwas anderes in ihm wach und verband sich mit der polizeilichen Fahndung nach der Wahrheit. Seine Intuition funktionierte noch wie früher: Auf irgendeine Weise hatte dieses Verbrechen mit Kunst zu tun. Er spürte es, konnte aber nicht sagen, was ihn zu der Vermutung veranlasste. Es war, wie man ihm früher nachgesagt hatte, wohl seine Nase. Und die riet ihm, jetzt nicht ins Atelier zu gehen, sondern zurück zur Hauptstraße in Richtung Neldaplatz, zur Galerie Matt. Er rief Martina an.
    Ich habe keine Lust auf mein Sofa.
    Du hast hier dein Bett:
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