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Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)

Titel: Mein geheimes Leben bei Scientology und meine dramatische Flucht (German Edition)
Autoren: Jenna Miscavige Hill , Lisa Pulitzer
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Umstand, dass sie alberne Comics zeichnete, in denen alle aussahen wie Schweinchen. Mike war ganz anders. Er war ein ruhiger Australier und, wie meine Eltern, nur selten in der Wohnung.
    Wir konnten uns nicht beklagen, dass es in der Wohnung so eng war, denn es machte Spaß, mit so vielen Menschen und vor allem so vielen Kindern zusammenzuleben. Da das Fountain Building durch das Erdbeben nicht mehr genutzt werden konnte, mussten B. J. und ich zu einer großen Tagesstätte für Kinder von Sea Org-Mitgliedern, die auf der Bronson Avenue in der Nähe des sogenannten Celebrity Centers lag. Sie war so weit entfernt, dass wir mit einem kircheneigenen Bus fahren mussten. Etwa achtzig bis hundert Kinder gingen bis zu ihrem sechsten Lebensjahr in diese Tagesstätte. Aufgeteilt waren wir in drei Gruppen, jedoch nicht nach unserem Alter, sondern nach dem Status unserer Eltern in der Kirche.
    An den meisten Nachmittagen fuhr ich mit Justin oder Taryn, die auch in der ATA war, mit dem Bus nach Hause. Sie stiegen ein, wenn der Bus an der Apollo Training Academy hielt, um Schüler aufzunehmen. An manchen Tagen holte mein Bruder mich dann aus dem Bus, um mit mir zu Fuß zur Wohnung zurückzugehen und im George’s General Store gegenüber von der ATA Süßigkeiten zu kaufen. Zwar war Justin eigentlich noch zu jung, um auf mich aufzupassen, aber das Edgemont war ein Gebäude der Scientologen, und vielleicht trösteten sich meine Eltern mit dem Wissen, dass immer andere Scientologen in der Nähe waren und ihre eigene Arbeitsstelle direkt um die Ecke lag. Außerdem gab es rund um die Uhr eine Kinderfrau, die von Wohnung zu Wohnung ging, nach den Kindern sah und im Notfall immer erreichbar war.
    Im Laufe der Monate wurden B. J. und ich wirklich gute Freunde, trotz seiner Leidenschaft für Insekten und Roboter und meiner für Barbie und Tierbabys. Er sprach nicht viel, trotzdem war ich fasziniert von ihm. Immer brachte er mir irgendwas über Insekten oder neue Zaubertricks bei. Wir unternahmen fast alles zusammen, und schon nach kurzer Zeit gehörte er, ebenso wie Taryn, zur Familie.
    Schon bald, nachdem wir umgezogen waren, sahen wir Mom immer seltener. Da sie sich um die Vorbereitung der Freewinds kümmerte, musste sie oft nach Curaçao, eine der Karibischen Inseln, wo das Schiff stationiert werden sollte. Während der restlichen Zeit befand sie sich auf der International Base in Hemet. Zwar kam sie so oft wie möglich zu Besuch und brachte mir von ihren Reisen Geschenke mit, die mir auch gefielen, vor allem ein kleines, lackiertes Schmuckkästchen mit Spieldose, auf der sich eine winzige Ballerina drehte, doch ihre Abwesenheit wurde dadurch für mich nicht erträglicher. Am meisten vermisste ich sie zur Familienzeit. Normalerweise kamen für diese Stunde nur Dad und Cathy in die Wohnung. Dann badete Dad mich, las mir vor, und wir spielten zusammen.
    So ging es ungefähr ein Jahr lang. Wir vier – Justin, Taryn, B. J. und ich – bildeten eine eigene provisorische Familie. Obwohl Justin und Taryn noch nicht mal Teenager waren, mussten sie auf B. J. und mich aufpassen. Wir hingen zusammen herum, teilten uns Snacks und spielten miteinander. Normalerweise passten sie auf uns auf, bis unsere Eltern zum Abendessen kamen oder einen Tag frei hatten. Aber all das änderte sich, als Cathy eines Tages Anfang 1988 zur Familienzeit nach Hause kam.
    An diesem besonderen Abend sah ich sie unter vier Augen mit B. J. sprechen, der sehr aufgebracht wirkte. Von meinem Platz auf der Couch konnte ich hören, wie Cathy ihm erklärte, dass dies ihre letzte tägliche Familienzeit zusammen wäre. Von nun an würden sie und Mike ihn nur noch einmal die Woche besuchen können, und zwar am Sonntagmorgen, da sie den Rest der Woche an einen sehr geheimen Ort müssten, um wichtige Aufgaben für die Church zu erledigen.
    Obwohl wir erst vier Jahre alt waren, kannten B. J. und ich schon die übliche scientologische Erklärung, mit der unsere Eltern begründeten, warum sie so viel arbeiten mussten. Es hieß immer, sie müssten vielen Menschen helfen und daher ihre Privatzeit für Scientology opfern. Wir nickten dann zum Zeichen, dass wir verstanden hatten, und taten so, als ob uns diese Erklärung über unseren Verlust hinwegtrösten würde.
    Aber als ich jetzt B. J.s Gesicht sah, wusste ich, dass er diesmal nicht verbergen konnte, wie hart ihn das traf. Er sagte nicht viel, sondern hörte nur zu, wie seine Mutter ihm vorsichtig die Lage erklärte, und starrte zu
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