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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
Autoren: Margot Kaessmann
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Tropfen auf den heißen Stein sei. „Ja“, sagte er: „Aber was ist denn die Alternative? Nichts tun?“ Die Antwort hat mir gut gefallen, weil sie gegen diesen Defätismus ankämpft: Ich kann doch nichts tun, mein Schritt ist zu klein. Doch, du kannst etwas tun! Dein kleiner Schritt ist Teil einer großen Veränderung, darum geht es.
    Wir alle leben verwoben in die Welt und das Umfeld, in das wir hineingeboren sind. Wir alle stehen immer wieder vor individuellen ethischen Entscheidungen. Und auch vor der Herausforderung, zu einer Meinung, einem Standpunkt zu finden, die wir offen vertreten und nach denen wir handeln – politisch Stellung zu beziehen. Michaela Haas schreibt: „Verblüffend, wie viel Häme ‚Gutmenschen‘ herausfordern. Sie zerren offensichtlich an den Nerven ihrer Mitmenschen, weil sie große Fragezeichen in den Raum werfen, die hinter Sätzen wie diesen stehen: Muss ich das auch machen? Wie viele gute Gründe finde ich, es nicht zu tun?“ 2
    Unsere Welt wird von Menschen gestaltet, nicht von „Systemen“. Es sind nicht anonyme Institutionen, die Entscheidungen treffen, sondern Menschen in diesen Institutionen, in Politik und Kultur, Wirtschaft und Kirche. Sie übernehmen Verantwortung, und deshalb lässt sich etwas ändern – jeder und jede an dem Ort, an dem wir leben und arbeiten. Da wird von „gierigen Banken“ gesprochen. Aber eine Bank kann doch nicht gierig sein, es sind Menschen, die dahinterstehen. Es ist die Rede von „der Wirtschaft“, aber Wirtschaft ist kein Subjekt, es sind einzelne reale Personen, die sie gestalten. Wir können uns nicht ständig als Ausgelieferte in einem anonymen System betrachten. Wir sollten genau hinsehen und hinhören, selbst Verantwortung übernehmen und diejenigen zur Rechenschaft rufen, die für Fehlentwicklungen und Unrecht verantwortlich sind, sich bereichern, handeln und entscheiden, was nicht der Zukunft dient. Das ist beispielsweise bei jeder Wahl in einem demokratisch verfassten Staat möglich. Ich kann nicht fassen, dass bei Wahlen immer weniger Menschen zur Wahlurne gehen, sich dann aber pauschal beschweren über „die Politik“.
    Ermüdung angesichts der Herausforderungen?
    Das Evangelium ist eine Ermutigung angesichts der scheinbar um sich greifenden Ermüdung oder auch Überforderung durch globalisierte Komplexität. Viele, die sich jahrelang engagiert haben – beruflich, gesellschaftlich, kirchlich, politisch – erscheinen erschöpft und überlastet. Oder sind die Probleme so vielfältig und verwoben, prasseln derart wuchtig im Stundentakt auf uns ein, dass der Rückzug ins Private als die einzig sinnvolle Lebensstrategie erscheint?
    Eine Freundin sagte mir: „Ein Blick auf tagesschau.de, und ich bin völlig erschöpft, weil ich nicht sehe, was ich am Zustand der Welt ändern könnte.“ Wo sind sie geblieben, die hoffnungsvollen Aufbrüche der Achtzigerjahre, als für viele in den christlichen Kirchen der konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung ein Zeichen dafür war, dass wir alle an unserem Ort etwas tun können, um die Welt zu verbessern?
    Eigentlich hätte diese Bewegung doch zu einer ganz großen Ermutigung führen müssen. Christinnen und Christen in der DDR haben ungeheuren Mut bewiesen, als sie diese Themen auf die Tagesordnung setzten. Oh ja, das war politisch – und umstritten. Am Ende drang aus den Kirchen von Leipzig, Dresden und Ost-Berlin der Ruf „Keine Gewalt“ auf die Straßen. Eine friedliche Revolution, die die Welt verändert hat, ist aus kleinen Friedensgebeten entstanden! Es ist merkwürdig, wie unterschiedlich das wahrgenommen wird. Auf einen Artikel hin, den ich über Rüstungsexporte im Magazin „Chrismon“ veröffentlicht habe, schrieb mir der Präsident eines Landessozialgerichts, er sei aus der Kirche ausgetreten, da ihn störe, „dass sich immer wieder Repräsentanten der evangelischen Kirche zu politischen Themen äußern, die mit Kirche, Glauben nichts zu tun haben“. Genau das ist für mich das Missverständnis, habe ich ihm zurückgeschrieben. Wie könnten denn die Produktion von Waffen, die Investition in Gewalt und Krieg Christinnen und Christen unberührt lassen? Wie könnten wir sagen, wir folgen Jesus Christus nach, der die Friedensstifter selig genannt hat, und gleichzeitig erklären: Zu Waffen und Krieg wollen wir lieber nichts sagen?
    Allerdings scheint das gesellschaftspolitische Engagement abzunehmen, in den Kirchen, aber auch insgesamt.
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