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Medicus 01 - Der Medicus

Titel: Medicus 01 - Der Medicus
Autoren: Noah Gordon
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Gefallen. Er war ein großer, kräftiger Mann mit hellblondem Haar und grauen Augen, und Rob versuchte sich einzureden, dass die Augen freundlich waren.
    Sein blasser, zitternder Bruder konnte nur nicken, als er den beiden Priestern aus dem Haus folgte. »Dann leb wohl, William!« sagte Rob.
    Er überlegte, ob er nicht vielleicht wenigstens die beiden Kleinen behalten konnte. Aber er verteilte schon die Reste vom Totenmahl seines Vaters, und er war ein realistisch denkender Junge. Jonathan wurde mitsamt der Lederweste und dem Werkzeuggürtel seines Vaters einem Schreinergesellen namens Aylwyn übergeben, der zu der Hundertschaft Nathanaels gehörte. Als Frau Aylwyn kam, erklärte Rob, dass Jonathan zwar aufs Töpfchen gehe, aber noch Windeln brauche, wenn er Angst habe, und sie nahm die vom Waschen zerschlissenen Sachen und das Kind, lächelte, nickte und ging. Den kleinen Roger behielt vorerst die Amme, und sie bekam Agnes' Stickmaterial. Richard Bukerei teilte Rob, der die Frau nie gesehen hatte, mit, dass der jüngste Bruder ihm zugesprochen worden sei. Am nächsten Tag nahmen der Bäcker Haverhill und seine Frau die besseren Möbelstücke mit, weil Anne Mary künftig über ihrem Pastetenladen wohnen sollte. Rob nahm sie an der Hand und brachte sie zu ihnen. Es hieß also: leb wohl, kleines Mädchen! »Ich liebe dich, meine Maid Anne Mary«, flüsterte er und drückte sie an sich. Aber sie schien ihn für alles verantwortlich zu machen, was geschehen war, und wollte sich nicht von ihm verabschieden.
    Jetzt war nur noch Rob übrig, der nichts mehr besaß. Am Abend kam Bukerei zu ihm. Der Zunftmeister hatte getrunken, aber sein Kopf war klar. »Es wird vielleicht lang dauern, bis wir einen Platz für dich finden. Die schlechten Zeiten sind daran schuld, niemand hat Essen für einen Jungen, der den Appetit eines Erwachsenen hat, aber noch keine Männerarbeit leisten kann.« Nach brütendem Schweigen fuhr er fort: »Als ich jünger war, meinten alle, wenn wir nur wirklichen Frieden haben und König Aethelred los sind, den schlimmsten König, der jemals seine Zeitgenossen zugrundegerichtet hat, dann kommen wieder gute Zeiten. Und dann erfolgte eine Invasion nach der anderen: Sachsen, Dänen, alle möglichen verdammten Piraten. Jetzt haben wir endlich König Knut, einen starken, friedliebenden Monarchen, aber es ist, als hätte sich die Natur gegen uns verschworen.
    Gewaltige Sommer- und Winterstürme richten uns zugrunde. Drei Jahre hintereinander hat es Missernten gegeben. Die Müller mahlen kein Korn, die Seeleute bleiben im Hafen. Niemand baut ein Haus, und die Handwerker sind arbeitslos. Es sind schwere Zeiten, mein Junge. Aber ich werde eine Stelle für dich finden, das verspreche ich dir.«
    »Danke, Zunftmeister.«
    Bukereis dunkle Augen waren besorgt. »Ich habe dich beobachtet, Robert Cole. Ich habe einen Jungen gesehen, der für seine Familie gesorgt hat wie ein vollwertiger Mann. Ich würde dich in mein Haus aufnehmen, wenn mein Weib anders wäre.« Er blinzelte verlegen, als ihm klar wurde, dass der Alkohol seine Zunge stärker gelöst hatte, als ihm recht war, und er erhob sich schwankend. »Ich wünsche dir eine friedliche Nacht, Rob.«
    »Auch eine friedliche Nacht, Zunftmeister!«

    Er wurde zum Einsiedler und die fast leeren Räume wurden zu seiner Höhle. Niemand lud ihn zum Essen ein.
    Die Nachbarn konnten sein Vorhandensein nicht übersehen, aber sie unterstützten ihn nur widerwillig. Frau Haverhill kam am Morgen und gab ihm einen übriggebliebenen Laib Brot aus der Bäckerei, und Frau Bukerei erschien am Abend, brachte eine kleine Portion Käse, bemerkte seine geröteten Augen und tadelte ihn, weil nur Frauen weinen durften. Er holte Wasser vom öffentlichen Brunnen wie zuvor, und er hielt das Haus sauber, aber es war gar niemand da, der die ruhige, geplünderte Behausung in Unordnung gebracht hätte, und so hatte er kaum etwas anderes zu tun, als sich Sorgen zu machen und Haltung zu bewahren. Einmal hörte er, wie sich Zunftmitglieder unterhielten. »Rob Cole wäre für jeden ein Gewinn. Jemand sollte ihn sich schnappen«, meinte Bukerei.
    Er hörte schuldbewusst im geheimen mit, wie andere über ihn sprachen, als handle es sich um einen Fremden.
    »Ja, sieh dir doch an, wie groß er ist! Er wird eine tüchtige Arbeitskraft sein, wenn er einmal erwachsen ist«, gab Hugh Tite widerwillig zu. Und wenn Tite ihn nahm? Rob erschreckte die Aussicht, mit Anthony in einem Haus zu leben. Deshalb war er
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