Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mea culpa

Mea culpa

Titel: Mea culpa
Autoren: Anne Holt
Vom Netzwerk:
schaffen. Obwohl sie sich immer wieder sagte, dass Achtzehnjährige unmöglich sind und dass am nächsten Tag alles vergessen sein würde, gab es doch etwas, das sie quälte und sie nicht schlafen ließ. Alles ging jetzt doch eigentlich viel besser, viel besser, in einem gewissen langsamen Rhythmus, aus dem vielleicht eine Art Leben werden könnte, auf jeden Fall, wenn sie Geduld genug hatte.
    Und die drei jüngeren Kinder waren ja eigentlich nie ein Problem gewesen, sie akzeptierten sie, mochten sie, und Henrik liebte sie noch immer, er kannte sie, solange er sich zurückerinnern konnte, und dieser Junge war etwas Besonderes, er hatte Ähnlichkeit mit Rebecca. Rebecca kam ihr fröhlicher vor, entschlossener, es sich gut gehen zu lassen, und die schwarzen Löcher traten immer seltener auf, es war sehr lange her, wenn Synne sich das genau überlegte, sie wusste schon gar nicht mehr, wann Rebecca zuletzt das Bedürfnis nach Kälte, nach Distanz gezeigt hatte.
    Benedicte hatte sich auch ein wenig besser benommen. Sie war niemals warm, niemals akzeptierend, aber ein bisschen weniger unfreundlich, es kam sogar vor, dass sie um Hilfe bei den Schulaufgaben bat. Ihre Explosionen sollten nicht stattfinden, wenn Synne dabei war. Das taten sie auch nie. Sie sollten für die heftigen Zusammenstöße zwischen Rebecca und Benedicte reserviert sein, für blutige Scharmützel, wie sie nur zwischen Müttern und Töchtern vorkommen können; nur das Band zwischen Mutter und Kind ist stark genug, um das zu überdauern. Synne kam sich vor wie ein Eindringling, wie eine Voyeuse; sie hatte etwas gesehen, dessen Existenz ihr bekannt war, das eine Fremde aber nicht sehen durfte.
    Die Bremsen. So schlimm konnte das doch nicht sein, aber sie hatte schon dreimal, zuletzt am Vortag, das Gefühl gehabt, dass etwas nicht stimmte, nichts wirklich Ernstes, aber trotzdem: sie funktionierten beim ersten Versuch nicht so richtig, man musste zweimal bremsen, rasch, dann griffen sie, wie es sich gehörte, und alles war in Ordnung. Eine erfahrene Fahrerin würde das an der ersten Kreuzung feststellen.
    Benedicte hatte den Führerschein jetzt seit vier Monaten, und Synne konnte nicht schlafen.
43
    Ich habe einen Punkt erreicht, wo ich nicht mehr schreiben kann. Ich habe angefangen zu packen. Den Computer kann ich verschenken, er ist zu groß, um ihn mitzunehmen; ich bereue bitterlich, dass der Laptop auf dem Meeresgrund gelandet ist. Petter kann den Computer haben, mit Flugsimulator und Spielen, und bestimmt ist er dann das einzige Kind in der Gegend, das seinen eigenen Computer hat. Meine Kleider sind frisch gewaschen, Asha hat vermutlich begriffen, was hier bevorsteht. Sie spricht jetzt nicht sehr viel, sie bringt Petter zum Schweigen, offenbar hat Hervé ihr von dem Telegramm erzählt. Obwohl er die Antwort natürlich nicht lesen konnte, aber er ist ja nicht dumm: Ich habe ihm nicht gesagt, wann er meine Mutter abholen soll.
    Wenn ich nur wüsste, wie es Rebecca geht. Wenn ich nur wüsste, ob es ihr besser geht, nicht gut, aber doch besser; es wird ihr niemals gut gehen, ihre Tochter ist umgekommen, und die Polizei hatte mir zunächst Übertretung des Paragraphen soundso der Straßenverkehrsordnung zur Last legen wollen, das steht in dem Brief, der von der Einstellung der Ermittlungen berichtet. Ich war auf der Wache und kam mir tot vor und sagte aus, ja, ich hätte dreimal etwas an den Bremsen gemerkt, hätte aber keine Ahnung gehabt, dass es ernst sein könnte, und Rebecca war ein Gespenst, das mir die Schlüssel zu meiner Wohnung brachte und nur sagte, sie wolle mich nie wieder sehen, sie weinte nicht einmal, sie sah einfach durch mich hindurch, als ob niemals etwas gewesen wäre.
    Wenn ich nur genau wüsste, was sie mir vorwirft. Das unglückselige Auto mit den defekten Bremsen, den Bremsen, die ich hätte erwähnen müssen; wirft Rebecca mir das vor? Aber Benedicte hatte mein Auto doch gestohlen! Ich hatte doch versucht, sie aufzuhalten, oder vielleicht nicht? Hatte ich sie aus dem Haus gejagt? Vielleicht hätte ich nichts sagen dürfen. Möglicherweise hätte ich zusehen sollen, wie Benedicte ihre Mutter anpöbelte, ich hätte mich aus der Sache heraushalten sollen, so, wie ich immer herausgehalten worden war; hatte ich Benedicte in den Tod gejagt? Habe ich ihre Tochter umgebracht, ist Rebecca davon überzeugt?
    Ich weiß es nicht, und ich habe einen Punkt erreicht, an dem ich es bald nicht mehr schaffe, nach der Antwort zu suchen. Ich bin zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher