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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
Autoren: Isabel Allende
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Schnake, die Rektorin der Schule, zu der die Leute respektvoll Tía Blanca sagen. Sie begrüßte Manuel mit dem hier üblichen Kuss auf die Wange und hieß mich im Namen der Gemeinde willkommen; das nahm allen die Anspannung, und der Kreis der Neugierigen um mich rückte näher. Tía Blanca bot an, mir am nächsten Tag die Schule zu zeigen, wo ich die Bibliothek, zwei Computer und ein paar Videospiele benutzen kann, vorerst bis März, dann sind die Ferien vorbei, und es wird nur noch zu bestimmten Zeiten möglich sein. Sie sagte auch, dass samstags im Schulhaus dieselben Filme gezeigt werden wie in Santiago, nur muss man hier keinen Eintritt zahlen. Dann löcherte sie mich mit Fragen, und ich fasste in meinem Anfängerspanisch meinezweitägige Anreise aus Kalifornien zusammen und erzählte, dass mir der Geldbeutel geklaut worden war, was die Kinder zum Lachen brachte, die aber sofort verstummten, als Tía Blanca ihnen einen frostigen Blick zuwarf. »Morgen mache ich euch Trogmuscheln mit Parmesan, damit die Gringuita die chilotische Küche kennenlernt. Um neun bei mir«, sagte sie zu Manuel. Inzwischen weiß ich, dass die Höflichkeit gebietet, mit einer Stunde Verspätung zu erscheinen. Hier wird sehr spät zu Abend gegessen.
    Wir beendeten die kleine Dorfbesichtigung, kletterten auf einen Karren mit zwei Maultieren, auf dem schon der Kühlschrank stand, und ließen uns vom Kutscher und einem Begleiter im Schneckentempo über einen von Gras fast völlig überwucherten Weg fahren. Fákin lief hinterher.
    Manuel wohnt ungefähr anderthalb Kilometer vom Dorf entfernt direkt am Meer, man kann aber wegen der Klippen dort nicht mit dem Boot anlegen. An seinem Haus könne man gut sehen, wie in der Gegend früher gebaut wurde, sagte er nicht ohne Stolz. In meinen Augen unterschied sich das Haus nicht sehr von denen im Dorf: Es steht ebenfalls auf Stelzen und ist aus Holz, aber er erklärte mir, dass die Pfosten und Balken noch mit der Axt behauen wurden, man die Rundschindeln, mit denen es verkleidet ist, heute nicht mehr bezahlen kann, und das Holz von Patagonischen Zypressen stammt, die es hier früher reichlich gab, heute aber kaum noch. Diese Zypressen können über dreitausend Jahre alt werden, sie sind nach den Baobabs in Afrika und den Redwoods in Kalifornien die langlebigsten Bäume der Welt.
    Das Haus hat einen zentralen Wohnraum mit Galerie, in dem sich das Leben um einen rußgeschwärzten, wuchtigen Holzofen abspielt, der zum Heizen und Kochen dient. Unten gibt es zwei Schlafzimmer, ein mittelgroßes, das Manuel gehört, und ein kleineres, in dem ich schlafe,außerdem ein Badezimmer mit Waschbecken und Dusche. Innen besitzt das Haus keine Türen, aber im Türrahmen zur Toilette hängt eine gestreifte Wolldecke, hinter der man für sich sein kann. In dem Teil des Wohnraums, der als Küche dient, stehen ein schwerer Esstisch, ein Küchenschrank und eine Kiste mit Deckel für die Kartoffeln, die in Chiloé zu jedem Essen gehören; von der Decke hängen Bündel mit Kräutern, Chilischoten und Knoblauchzöpfe, Trockenwürste und schwere Eisentöpfe, mit denen man auf dem Holzfeuer kochen kann. In die obere Etage, wo Manuel die meisten seiner Bücher und Ordner stehen hat, gelangt man über eine Leiter. Bilder, Fotos oder sonstigen Schmuck gibt es nicht an den Wänden, überhaupt nichts Persönliches, bloß Karten vom Archipel und eine schöne Schiffsuhr mit Mahagonigehäuse und Bronzeschrauben, die aussieht wie von der Titanic gerettet. Im Freien hat Manuel ein großes Holzfass zu einer Badetonne umgebaut. Werkzeug, Brennholz, Kohle, Gasflaschen, die Kanister mit dem Benzin fürs Boot und der Generator stehen im Schuppen im Hof.
    Mein Zimmer ist so schlicht wie das gesamte Haus; ein schmales Bett mit einer Decke, ähnlich der vorm Klo, ein Stuhl, eine Kommode mit drei Schubladen und mehrere Nägel an der Wand für Kleider. Ausreichend Platz für meine paar Habseligkeiten, die locker in meinen Rucksack passen. Ich mag diesen Männerhaushalt, beunruhigend finde ich bloß die zwanghafte Ordnung, die Manuel hält; ich sehe das nicht so eng.
    Die Männer trugen den Kühlschrank an den vorgesehenen Platz, schlossen ihn an eine Gasflasche an, und dann setzten sie sich an den Esstisch, wo Manuel ein paar Flaschen Wein und einen Lachs servierte, den er in der Woche zuvor in einer Metalltrommel über Apfelholz geräuchert hatte. Aus dem Fenster aufs Meer schauend, tranken und aßen sie stumm, prosteten sich nur zuweilen mit
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