Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen

Titel: Maxwell 02 - Nur du kannst sie verstehen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Friedhof war angelegt wie eine Stadt mit Straßen. Sie hatten keine besonders originellen Namen – North Drive und South Walk kreuzten sich zum Beispiel an einem kleinen Kiesplatz, auf dem ein paar Bänke standen, mit der West Avenue. Der Platz war so etwas wie die Stadtmitte. Aber die Stille der großen viktorianischen Mausoleen ließ ihn aussehen, als wäre hier noch früher als anderswo Ladenschluß.
    »Mein Vater sagt, das hier wird alles demnächst bebaut«, erzählte Wobbler. »Er sagt, die Stadt hätte es für fünf Pence an irgendeine große Gesellschaft verkauft, weil die Instandhaltung so teuer ist.«
    »Was? Das Ganze?« sagte Johnny.
    »Hat er jedenfalls gesagt«, meinte Wobbler. Selbst er sah ein bißchen verunsichert aus. »Er hat gesagt, es sei ein Skandal.«
    »Sogar das Stück mit den Pappeln?«
    »Das Ganze«, sagte Wobbler. »Es würden Büros drauf gebaut oder so was.«
    Johnny sah sich um. Der Friedhof war die einzige unbebaute Fläche weit und breit. »Ich hätte denen wenigstens ein Pfund gegeben«, sagte er.
    »Ja, aber du hättest nichts drauf bauen können«, erwiderte Wobbler. »Das ist der springende Punkt.«
    »Ich wollte auch gar nichts drauf bauen. Ich hätte ihnen ein Pfund gegeben, damit es so bleibt, wie es ist.«
    »Ja«, sagte Wobbler, vernünftig wie immer, »aber die Leute müssen irgendwo arbeiten. Wir brauchen Arbeitsplätze.«
    »Ich wette, die Leute hier werden sich nicht gerade freuen«, sagte Johnny, »wenn sie es erfahren.«
    »Ich glaube, man bringt sie woanders hin«, vermutete Wobbler. »Irgendwie so muß es sein. Sonst würde sich ja keiner von denen, die hierherziehen, trauen, den Garten umzugraben.«
    Johnny sah sich das nächstgelegene Grab an, das wie ein Gartenhäuschen aus Marmor aussah. Bronzene Lettern über dem Eingang besagten:
     
    STADTRAT THOMAS BOWLER
    1822–1906
    Pro Bono Publico
     
    Daneben war ein Gesicht eingemeißelt, vermutlich das vom Stadtrat selbst, das ernst ins Leere starrte, als würde er sich ebenfalls fragen, was Pro Bono Publico wohl zu bedeuten hatte.
    »Ich wette, der da wäre ganz schon sauer«, sagte Johnny.
    Er zögerte einen Moment, dann lief er die geborstenen Stufen zu der metallenen Tür hoch und klopfte an. Er hatte
keine
Ahnung, warum er das tat.
    »Hey, hör auf damit!« zischte Wobbler. »Stell dir doch mal vor, er kommt rausgeschlurft. Außerdem« – er senkte seine Stimme ein wenig – »ist es nicht richtig, wenn man versucht, mit den Toten zu reden. Das kann zu satanischen Praktiken führen, haben sie im Fernsehen gesagt.«
    »Ich wüßte nicht, warum«, sagte Johnny.
    Er klopfte noch einmal.
    Und die Tür ging auf.
    Stadtrat Thomas Bowler blinzelte im Sonnenlicht und starrte dann Johnny an.
    »Ja bitte?« sagte er.
    Johnny drehte sich um und rannte um sein Leben.
    Wobbler holte ihn auf der Hälfte des North Drive ein. Wobbler war normalerweise kein sportlicher Typ, und seine Geschwindigkeit hätte einige Leute, die ihn kannten, ganz schön erstaunt.
    »Was ist passiert? Was ist denn passiert?« japste er.
    »Hast du’s denn nicht gesehen?« sagte Johnny.
    »Ich hab gar nichts gesehen!«
    »Die Tür ist aufgegangen!«
    »Ist sie nicht!«
    »Doch ist sie!«
    Wobbler wurde langsamer.
    »Nein, ist sie nicht«, murmelte er. »Keine von denen kann aufgehen. Ich hab sie mir angesehen. Sie haben alle Vorhängeschlösser dran.«
    »Damit niemand reinkommt, oder damit keiner raus kann?« fragte Johnny.
    Ein panischer Ausdruck huschte über Wobblers Gesicht. Da er ein ziemlich breites Gesicht hatte, brauchte das eine ganze Weile. Er wurde wieder schneller.
    »Du willst mich nur verarschen!« schrie er. »Ich fange jedenfalls nicht an, mit dem Satan zu spielen! Ich geh nach Hause.«
    Er bog in den East Way ab und rannte auf den Haupteingang zu. Johnny wurde langsamer.
    Er dachte: Vorhängeschlösser.
    Es stimmte tatsächlich. Er hatte es schon früher bemerkt. Alle Mausoleen waren mit Schlössern versehen, damit keine Vandalen reinkamen.
    Aber trotzdem… trotzdem…
    Wenn er die Augen schloß, konnte er Stadtrat Thomas Bowler
sehen.
Keinen schlurfenden Toten aus Wobblers Videos, sondern einen großen, fetten Mann in einer pelzbesetzten Robe mit einer Goldkette und einem Hut mit Ecken.
    Er hörte auf zu rennen und ging dann langsam den Weg zurück, den er gekommen war.
    An der Tür des Stadtrat-Grabs war ein Vorhängeschloß. Es sah verrostet aus.
    Es lag nur an diesem Gespräch mit Wobbler dachte Johnny. Das hatte ihn auf dumme
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher