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Maurice, der Kater

Maurice, der Kater

Titel: Maurice, der Kater
Autoren: Terry Pratchett
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lautete:
TOTE RATTEN!
50 CENT PRO SCHWANZ!
WENDET EUCH AN: DIE RATTENFÄNGER IM RATHAUS
    Der Junge starrte auf das Schild.
»Die Leute hier wollen ihre Ratten wirklich loswerden«, sagte Maurice munter.
»Niemand hat jemals eine Belohnung von einem halben Dollar für einen Rattenschwanz angeboten!«, brachte der Junge hervor.
    »Ich habe dir ja gesagt, dass dies eine große Sache wird«, erwiderte Maurice. »Wir sitzen auf einem Haufen Gold, bevor diese Woche zu Ende ist!«
    »Was ist ein Rathaus?«, fragte der Junge skeptisch. »Es kann doch kein
    Haus für Ratten sein, oder? Und warum starren dich alle an?« »Ich bin eine hübsche Katze«, sagte Maurice. Doch auch er wunderte
sich ein wenig. Die Leute stießen sich gegenseitig an und zeigten auf ihn.
»Man könnte meinen, sie hätte noch nie eine Katze gesehen«, murmelte
er und sah zum Gebäude auf der anderen Straßenseite. Es war ein großes,
quadratisches Haus, vor dem sich viele Menschen eingefunden hatten,
und auf dem Schild über dem Eingang stand: R ATHAUS . »Das ›Rathaus‹
ist der Sitz der städtischen Regierung«, erklärte Maurice. »Mit Ratten hat
es gar nichts zu tun, so seltsam das auch erscheinen mag.« »Du kennst dich wirklich mit Worten aus, Maurice«, sagte der Junge
bewundernd.
»Manchmal wundere ich mich über mich selbst«, erwiderte Maurice. Eine Schlange hatte sich vor einer großen offenen Tür gebildet. Andere
Leute, die bereits Schlange gestanden hatten, kamen zu zweit oder zu
dritt aus einer zweiten Tür. Alle trugen Brotlaibe.
»Sollen wir uns ebenfalls anstellen?«, fragte der Junge.
»Nein, besser nicht«, entgegnete Maurice vorsichtig.
»Warum nicht?«
»Siehst du die Männer an der Tür?«, fragte Maurice. »Es scheinen Wächter zu sein. Sie haben große Schlagstöcke. Und alle zeigen ihnen ein Stück Papier, bevor sie das Rathaus betreten. Das gefällt mir nicht. Es
sieht mir zu sehr nach Regierung aus.«
»Wir haben nichts Unrechtes getan«, sagte der Junge. »Zumindest nicht
hier.«
»Bei Regierungen kann man nie wissen. Warte hier. Ich sehe mich um.« Die Leute sahen auf Maurice hinab, als er das Rathaus betrat, aber in
einer von Ratten heimgesuchten Stadt schien eine Katze recht beliebt zu
sein, und niemand versuchte, ihn zu vertreiben. Ein Mann wollte ihn
hochheben, verlor jedoch das Interesse an ihm, als Maurice sich
umdrehte und ihm den Handrücken zerkratzte.
Die Schlange der Wartenden reichte in einen großen Saal und zu einem
auf Böcke gestellten Tisch. Dort zeigte jede Person ihren Zettel zwei
Frauen, die vor einem großen Servierbrett standen, und bekam Brot.
Anschließend gingen die Leute zu einem Mann an einem Bottich mit
Würstchen, wo sie erheblich weniger Wurst als Brot erhielten. Der Bürgermeister beobachtete alles und sprach gelegentlich mit den
Leuten, die die Lebensmittel verteilten. Maurice erkannte ihn sofort,
denn er trug eine große Goldkette um den Hals. Seit er mit den Ratten
zusammenarbeitete, war er vielen Bürgermeistern begegnet. Dieser
unterschied sich von den anderen. Er war kleiner, wirkte besorgter und
hatte eine kahle Stelle auf dem Kopf, die er mit drei Haarsträhnen zu
tarnen versuchte. Er war auch viel dünner als die anderen Bürgermeister,
die Maurice gesehen hatte. Er sah nicht aus, als hätte er ein großes Fass
verschluckt.
Nahrung ist knapp, dachte Maurice. So knapp, dass sie rationiert
werden muss. Hier scheint dringend ein Flötenspieler gebraucht zu
werden. Was für ein Glück, dass wir genau zur rechten Zeit gekommen
sind…
Er verließ das Gebäude, und diesmal ging er nicht, sondern lief, denn er
hörte, dass draußen jemand Flöte spielte. Seine Befürchtungen
bestätigten sich: Es war der Junge. So etwas machte er immer, wenn man
ihn einige Zeit allein ließ. Er hatte seine Mütze umgedreht auf den Boden
gelegt und sogar einige Münzen bekommen. Die Schlange der
Wartenden bildete einen Halbkreis, damit die Leute ihm zuhören
konnten, und einige Kinder tanzten.
Maurice kannte sich nur mit dem Gesang von Katzen aus, der darin
bestand, zehn Zentimeter vor einer anderen Katze zu stehen und zu
schreien, bis diese aufgab. Aber die Menschen klopften mit den Füßen,
wenn sie den Jungen spielen hörten. Und sie lächelten.
Maurice wartete, bis der Junge die Melodie beendet hatte. Als das
Publikum klatschte, trat er hinter ihn, rieb sich an seinem Rücken und
flüsterte: »Bravo, Dummkopf! Wir sollen unauffällig sein! Komm jetzt,
gehen wir. Oh, und nimm das Geld.«
Er ging voraus
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