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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring
Autoren: Theodor Fontane
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Fußbank an den Ofen schob und sich hinsetzte; Thilde setzte sich aufs Sofa und schob die kleine Petroleumlampe so, daß sie daran vorbei zur Alten hinübersehen konnte.
    »Was ich nur anziehe, Thilde? Das Schwarzseidne geht doch nich mehr und war ja doch eigentlich auf Trauer gemacht. Und wenn ich das rote Tuch drübernehme, dazu bin ich wieder zu alt.«
    »Ach, Mutter, das laß nur gut sein. Ich werde dich schon zurechtmachen, mit ein paar Schleifen zwingen wir's schon. Es sieht einen ja doch keiner an. Und wenn auch. Die Haube ist für 'ne alte Frau immer die Hauptsache, und deine Haube ist noch ganz gut, ein bißchen tollen und aufplätten, und du siehst aus wie 'ne Gräfin.«
    »Ach, Kind, rede doch nicht solch Zeug.«
    »Na, ich sage dir, Mutter, das wollen wir schon kriegen. Mit das bißchen Anziehn und Zurechtmachen, das is es nicht, ich habe Putzmachen gelernt und Blumenmachen auch und Klöppeln auch, und das müßte doch nicht mit rechten Dingen zugehn, wenn ich uns nicht rausstaffieren sollte. Wundern soll er sich, wie du aussiehst, und wenn er uns nach dem Theater in ein Lokal führt...«
    »Ach Thilde, wie kannst du nur so was denken.«
    »Na, wenn nich, denn nich. Ich hänge nicht dran, es macht nur so einen Eindruck und sieht ein bißchen nach was aus und daß man doch auch mit zugehört.«
    »Ja, ja; das is schon recht.«
    »Und weißt du, Mutter, was ich dir schon vor ein paar Tagen sagen wollte, wir wollen doch die alte Runtschen wieder ins Haus nehmen, das heißt immer bloß eine Stunde, daß sie drüben rein machen kann und alles einholen. Ich bin ja nich dagegen, und mir kommt es nicht drauf an. Aber neulich hatte er was vergessen und kam gerade dazu, wie ich da bei all dem Planschen und Gießen war und der Blecheimer mitten in der Stube – da war es mir doch genierlich. Und ich denke wirklich, wir nehmen die Runtschen. Sie kann dann auch einholen, was wir brauchen.«
    Die Mutter hatte kleine Bedenken und sagte: »Thilde, das läuft so ins Geld. Und man weiß doch nicht, wenn er dann kündigt...«
    »Dann kündigen wir auch wieder. Die Runtschen is ja 'ne vernünftige Frau. Und dann, was heißt kündigen! Glaube mir, der kündigt nicht.«
     
    Der andere Tag war ein großer Tag. Der Inhalt einer großen Pappschachtel, darin sich Bänder und alte Blumen befanden, war auf die Chaiselongue ausgeschüttet, damit man einen besseren Überblick hatte. Der Alten war es nicht recht.
    »Thilde, das fusselt alles so. Und es ist doch unser Prachtstück. Kind, Kind, wo soll es denn alles herkommen.« Aber Thilde ließ sich nicht einschüchtern, und als sie gefunden hatte, was sie für sich und die Alte brauchte, war sie fleißig bei der Arbeit. Dann wusch sie zwei Paar hellbraune Handschuh. Es roch bis in Hugos Zimmer hinüber nach Brönner. Dann wurde geplättet. Thilde war in einer apart guten Laune. »Sieh nur, wie er glüht.« Und dann schlug sie den Schieber mit einem Feuerhaken zu.
    »Hast du auch die Billetter, Thilde«, das waren die letzten Worte, die vor Verlassung der Wohnung gesprochen wurden. Ihr Mieter Hugo Großmann hatte sich den ganzen Tag nicht sehn lassen, wodurch er der Begleitungsfrage klug entgangen war.
    Kosinsky war dreimal gerufen worden, und die Alte, die nicht klatschen wollte, hatte sich begnügt, dem Darsteller der Rolle zuzunicken, als er sich grade nach der andren Seite hin bedankte. Dann sagte sie zu Thilde, während der Lärm noch fortdauerte: »Er macht es recht gut, er hat soviel Anstand. Es muß doch sehr schwer sein.«
    »I Gott bewahre«, sagte Thilde, die sich ablehnend gegen alles verhielt, weil sie bemerkte, daß Hugo vermied, nach dem zweiten Range hinaufzusehn. Einmal geschah es, und nun grüßte er auch, aber sehr steif und förmlich. Sie legte sich's aber schließlich doch zum Guten zurecht, und als der große Traum kam und eben das weiße Haar in die Waagschale des Gerichts fiel, sagte sie sich: Es ist ein gutes Zeichen, daß er nich raufsieht, weil er kein Leichtfuß ist und es ernst nimmt. Er sagt sich, all so was hat eine Tragweite... ja, von Tragweite hat er schon ein paarmal zu mir gesprochen... Und so ganz abgeschlossen hat er noch nicht... er nimmt es nicht als Spaß... Sie kam in ihren Betrachtungen nicht weiter, weil die Alte sagte: »Sieh doch mal nach, Thilde, wer der alte Diener ist; er zittert ja so furchtbar.«
    »Ach, laß doch«, sagte Thilde und reichte der Alten die Tüte mit Drops zurück, die sie mitgenommen hatte.
     
    Seitens der Möhrings
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