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Mathilde Möhring

Mathilde Möhring

Titel: Mathilde Möhring
Autoren: Theodor Fontane
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daß Hugo spät aufstehen würde, aber das Gegenteil geschah, er klingelte früher als gewöhnlich und mußte wohl zehn Minuten auf sein Frühstück warten. Thilde wollte diese Verspätung entschuldigen; er sagte aber, es hätte nichts zu sagen, er müsse sich entschuldigen; um vier nach Hause kommen und um sieben Frühstück, das sei beinah unnatürlich. Ob es denn hübsch gewesen sei, das heißt, ob sie sich amüsiert hätten und ob ihnen Rybinski gefallen hätte. Er wolle ausgehn und gleich nachsehn, ob er gelobt sei. Daß sie nicht geklatscht hätten, sei sehr gut gewesen; es falle auf und schade bloß und heiße dann in den Zeitungen, es sei alles Claque gewesen. Übrigens hätte Rybinski ihm gesagt, er würde wieder Billets schicken, wenn er in einer neuen Rolle aufträte. Das sei in der nächsten Woche, da spiele er den Dunois, Bastard von Frankreich. »Sie kennen die Rolle, Fräulein Thilde.«
    »Ja, den
Dunois
kenn ich«, sagte sie mit Betonung des Namens, ohne weitre Zutat, um ihn auf diese Weise das Unpassende des »Bastard« fühlen zu lassen. Zu dem Plan, den sie sich ausgedacht hatte, gehörte durchaus Tugend. Sie hielt es deshalb, um ihrer Reprimande noch mehr Nachdruck zu geben, auch für angezeigt, das Gespräch abzubrechen, so schwer es ihr wurde.
    Als sie wieder drüben in ihrem Zimmer war, fand sie die Runtschen vor, die nicht durch das Entree, sondern durch die Küche gekommen war. Sie sah aus wie gewöhnlich, Kiepenhut und eine schwarze Klappe über dem linken Auge.
    »Ah, guten Tag, Frau Runtschen. Na, das ist gut, daß Sie da sind. Hat Ihnen Mutter schon gesagt...?«
    »Ja, Thildechen, Mutter hat mir schon gesagt, daß wieder ein Herr da ist und daß ich rein machen und einholen soll. Aber wann muß es denn sein? Von sieben bis acht bin ich drüben bei Hauptmann Petermann und von acht bis neun bei Kulickes unten.«
    »Das paßt sehr gut. Neun bis zehn ist die beste Zeit oder noch ein bißchen später. Um die Zeit ist er immer weg. Und Sie können sich's dann einrichten, wie Sie wollen, und Sie wissen ja auch Bescheid, wo alles steht. Aber mitunter ist er auch noch da und sieht so aus 'm Fenster, ja, Frau Runtschen, dann müssen Sie sich so 'n bißchen zurechtmachen.«
    »Zurechtmachen?«
    »Ja, Frau Runtschen. Ich meine natürlich nur ein bißchen. Sie können nicht kommen wie 'ne Prinzessin. Soviel wirft es nicht ab.«
    »Ne, ne, soviel wirft es nicht ab.«
    »Aber doch so das Nötigste. Eine weiße Schürze. Und dann, daß Sie den Kiepenhut abnehmen. Wenn er nicht da ist, dann ist der Kiepenhut ganz gut, und man sieht nicht alles. Aber wenn er da ist, is doch 'ne Haube besser.«
    »Ja, Fräuleinchen, was heißt Haube?«
    »Natürlich sollen Sie sich keine mitbringen. Aber an unserm Ständer, da finden Sie allemal eine.«
    »Na, wenn's erlaubt is, denn nehm ich sie mir so lange.«
    »Ja, Frau Runtschen, und dann noch eins, die schwarze Klappe da dürfen Sie nich länger als acht Tage tragen, ich werde jeden Sonnabend eine neue anschaffen. Ihr Schaden soll es nicht sein.«
     
Siebentes Kapitel
     
    Die »Jungfrau« kam zur Aufführung, mit Rybinski als Dunois, aber weder die Möhrings noch ihr Mieter Hugo Großmann wohnten der Aufführung bei, da dieser letztre krank geworden war. Er fieberte ziemlich stark und bat, nach einem Arzt zu schicken; dieser kam und war mehrere Tage lang im unsichern, bis es sich eines Morgens herausstellte, was es war. Er ging mit zu Möhrings hinüber und sagte: »Es sind die Masern, nichts Besondres und nichts Gefährliches. Aber Vorsicht, liebe Frau Möhring, sonst haben wir einen Toten, wir wissen nicht wie.«
    »Gott, Herr Doktor, er is ja erst sechs Wochen bei uns und denn so was. Und wenn die Leute das hören, da will ja denn keiner einziehn, und vertuscheln geht auch nich; es sind immer so viele schlechte Menschen, und Schultzens wird es auch nicht recht sein.«
    »Wohl möglich. Aber das hilft nicht; vor allem nicht gleich so ängstlich; noch lebt er und wird auch wohl weiterleben. Ich habe Sie nur warnen wollen, daß Sie aufpassen und immer nasse Lappen über den Bettschirm hängen. Mit dem Bazillus is nicht zu spaßen. Und vor allem kein Zug. Zug ist das schlimmste, da tritt alles zurück und wirft sich auf die edleren Teile...«
    »Gott, is es möglich...«
    »Und dann haben wir casus mortis.«
    Mathilde war dabei nicht zugegen. Als sie von einem Gang in die Stadt nach Hause kam und hörte, was der Arzt gesagt, sagte sie: »Mutter, du kannst doch auch
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