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Matharis Kinder (German Edition)

Matharis Kinder (German Edition)

Titel: Matharis Kinder (German Edition)
Autoren: Bernadette Reichmuth
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erschauerte.
    Steine, die unter leichten Tritten knirschten, fingen Torians Aufmerksamkeit wieder ein. Sogleich wusste er, wem diese Schuhe gehörten. Er schloss die Augen, lauschte mit zum Zerreißen gespannten Sinnen den sich nähernden Schritten. Er stellte sich vor, wie ein in der Sonne leuchtendes Haargespinst über den Schultern einer grob gewebten Jacke wippte. Spürte den Blick zweier Augen zwischen seinen Schulter blättern.
    Erst nachdem die Schritte verstummt waren, drehte Torian sich um. In einer Geste, die Abwehr und Bitte zugleich war, hob Janis die Hände, hieß ihn innezuhalten, bevor er sich in Bewegung gesetzt hatte.
    Ohne sie aus den Augen zu lassen, setzte er sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden.
    Langsam, als müsste sie für jeden einzelnen Schritt eine neue Entscheidung treffen, kam die junge Lopunierin näher. Noch außerhalb der Reichweite von Torians Armen blieb sie stehen, setzte sich auf ihre Fersen, sah ihn an. 
    Sein Herz klopfte so heftig, dass er fürchtete, sie könnte es schlagen hören und gleich wieder weglaufen.
    „Du bist gekommen“, sagte er leise. 
    „Ja, ich bin gekommen“, antwortete sie.
    In Torians Gehirn schienen sich plötzlich alle Worte an einen unauffindbaren Platz zurückgezogen zu haben. Die Finger in seine Knie gegraben, starrte er die junge Lopunierin an und kam sich unsäglich dumm und hilflos vor. Gleich würde sie wieder aufstehen und weggehen, würde für immer aus seinem Leben weggehen, wenn er jetzt nicht die richtigen, die alles entscheidenden Worte heraus brachte.
    Aber Janis dachte nicht daran, wegzugehen. Sie blieb sitzen und betrachtete das Gesicht des jungen Peoniers.
    Endlich fand Torian seine Stimme wieder. Er schaffte es sogar, Worte zu formen.
    „Ich … ich komme wieder“, stammelte er, „ich meine … ich komme wieder ...“ Allzu geistreich hörte sich das ja nicht an, doch diesen ersten, unbeholfenen Worten folgten, wie an einer Schnur gehängt, diejenigen, die er wirklich sagen wollte.
    „Ich liebe dich, Janis. Und ich weiß, dass du mich auch liebst.“ So einfach war das.
    Janis schwieg und rührte sich nicht. Also fuhr er fort:
    „Unser Kamerad ist sehr krank. Und wir können nicht warten, bis er wieder gesund ist. In Peona brauchen sie die ... die Medizin dringend. Also werden ich und der alte Mann morgen aufbrechen. Bis nach den Pamadar-Türmen wird er mich begleiten. Danach, sagt er, finde ich den Weg allein. Aber ich komme wieder – hörst du? Ich hole den alten Mann, und bringe ihn hierher zurück! Und dann – dann möchte ich, dass du meine Frau wirst. Wir können gemeinsam nach Peona gehen, können dort in Frieden unsere Kinder aufziehen, oder wir können hier in Lopunien bleiben. Ich will nichts anderes, als bei dir sein und mit dir leben.“ Mit einem Lächeln, das ihr die Tränen in die Augen trieb, fügte er hinzu: „Wo sollte ich denn sonst sein wollen, wenn nicht bei dir?“
    Sie fielen einander nicht sogleich in die Arme. Es waren ihre Augen, die sich zuerst umfingen.
    Dann erhoben sich beide gleichzeitig.
    Ihr Kuss war Abschied und Versprechen zugleich. 
    In diesem Augenblick wussten sie nicht, dass die Schicksalshüter ihre Fäden bereits ausgetauscht und ein neues Muster zu weben begonnen hatten im Netz des Lebens.
     
    Die beiden jungen Menschen hatten es nicht eilig, zum Haus zurückzukehren. Dies waren die letzten Augenblicke, die ihnen ganz allein gehörten, ihnen und ihrem Traum von Liebe und Glück, in dem alles so viel einfacher war, als in der schonungslosen Wirklichkeit.
    Als sie gegen Mittag zum Haus hinunter schritten, sahen sie Punja in höchster Eile zum Brunnen laufen. Janis und Torian begannen gleichzeitig zu rennen.
    „Ihr kommt gerade rechtzeitig“, stieß die Frau atemlos hervor und drückte Torian den Wassereimer in die Hand, „das Fieber deines Kameraden steigt unaufhörlich. Man könnte meinen, er verbrenne innerlich. Ich kann kaum schnell genug kaltes Wasser herbeischaffen, um ihn zu kühlen. Und Jungferntaschentee sollte er bekommen, damit er besser atmen kann.“
    In wortloser Übereinkunft verschwanden die beiden Frauen im Haus, während Torian zum Brunnen rannte.
    Bis zum Abend waren die Drei damit beschäftigt, um Parikos Leben zu kämpfen, ein Kampf, der von Stunde zu Stunde aussichtsloser erschien.
    Und Janael war noch immer nicht zurück.
    Die Sonne verwandelte sich in einen glühenden Ball. Ihren feurigen Hofstaat rotgoldener Wolken zurücklassend, versank sie hinter den
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