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Maskenspiel

Maskenspiel

Titel: Maskenspiel
Autoren: F Schmöe
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sie das Waffenschränkchen, in dem sie ihre Beretta 9000 S aufbewahrte, setzte dann Wasser auf, um sich einen Tee zu kochen, und machte es sich so gut es ging auf dem Schreibtischstuhl bequem. Seit einigen Wochen schon quälte sie sich durch einen Wälzer über moderne psychologische Gesprächsverfahren in der Ermittlungsarbeit. Das Buch war ihr von ihrem ehemaligen Mentor Julius Liebitz empfohlen worden. Eigentlich schätzte sie seine Meinung. Doch während Katinka nun die Seiten umblätterte, hatte sie immer mehr den Eindruck, nutzlose und obendrein völlig belanglose Ratschläge zu bekommen, um die sie nicht gebeten hatte. Sie stand auf dem Standpunkt, durch Intuition mehr Geheimnisse aufspüren zu können als durch unterkühlte Analyse, aber Tom war da ganz anderer Meinung. Er vertrat die Auffassung, dass das emotionslose Zerlegen eines Problems sein Verständnis nur fördere. Die Wahrnehmung durch Intuition könne ja dann folgen. Katinka blickte auf die Überschrift von Kapitel 3: Pathologische Persönlichkeitsveränderungen . Schon spürte sie, wie sie am liebsten wegdämmern würde. Der typische Sachbucheffekt. Frustriert legte sie das Buch weg und goss sich Tee auf.
    Das Telefon klingelte.
    Katinka starrte den Apparat entsetzt an. Noch niemand hatte diese Nummer in den letzten Wochen und Monaten gewählt. Tom und ihre Bekannten erreichten sie über ihr Handy. Katinka stellte die Tasse ab und merkte, dass ihre Hand zitterte.
    »Palfy, private Ermittlungen, grüß Gott?«
    »Hauke von Recken. Tag, Frau Palfy. Sie kennen mich noch?«
    »Herr von Recken!« Katinka musste schlucken. Klar, sie kannte ihn noch, wie könnte sie ihn vergessen, noch dazu bei diesem Namen!
    »Das ist wirklich eine Überraschung«, ergänzte sie. Allerweltssatz, stichelte die Kontrollwespe.
    »Das freut mich zu hören«, reagierte er sonor mit seinem stark westdeutsch geprägten Akzent. »Wie geht es Ihnen?«
    Katinka zögerte. Ihr ehemaliger Archäologieprofessor war ihr immer der sympathischste unter den Dozenten gewesen. Unprätentiös und weitgehend frei von Dünkel, was ihn deutlich von seinen akademischen Mitstreitern unterschied. Er hatte ihr nach dem Examen angeboten, zu promovieren, aber sie hatte nach einigen Nächten des Nachdenkens abgelehnt.
    »Danke. Sehr gut. Und Ihnen?«
    Sie hoffte, er würde ihrer Stimme die Irritation nicht anhören. Vielleicht sollte ich doch noch promovieren, überlegte sie, denn Zeit habe ich bei meiner momentanen Auftragslage ja mehr als genug.
    »Auch gut. Aber tauschen wir keine Höflichkeiten aus. Sie kennen meine Einstellung: Es ist schade, dass Sie die Universität verlassen haben!«
    »Ich nehme das als Kompliment«, erwiderte Katinka, die sich allmählich fasste. »Aber sicherlich rufen Sie nicht an, um mir meine Einstellung zur Welt des Elfenbeinturms unter die Nase zu reiben?«
    Hauke von Recken lachte. Es war dieses unterschwellige, amüsierte Lachen, das er gerne und häufig zu Gehör brachte, und das Katinka, wie sie nun feststellte, richtig vermisst hatte.
    »Selbstverständlich nicht. Wie sollte ich Sie jemals umstimmen? Sie sind ja hartnäckig wie ein gut durchgebratenes Steak.«
    Auch seine Ausdrucksweisen hatte Katinka immer sehr witzig gefunden. Im Augenblick hatte sie allerdings den Eindruck, dass er in seiner versucht scherzhaften Selbstdarstellung übertrieb. Es konnte allerdings auch daran liegen, dass sie den Unijargon einfach nicht mehr gewohnt war.
    »Nein, im Ernst, Frau Palfy«, machte er weiter. »Ich rufe Sie an in Ihrer neuen Eigenschaft als … Detektivin.« Er ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen.
    »Tatsächlich?« Katinka hielt den Atem an. In ihrer Fantasie sah sie schon ein paar Dozenten mit Messern im Rücken vor Hauke von Reckens Bürotür liegen. »Worum geht es denn?«
    »An der Uni gibt es Probleme«, sagte der Archäologieprofessor. Katinka konnte förmlich vor sich sehen, wie er beim Telefonieren die Rundung seiner Fingernägel kontrollierte. »Nicht bei mir am Lehrstuhl, überhaupt nicht bei uns oder den Historikern … na ja, Sie kennen ja unsere kleine Welt.« Er pausierte gekonnt und steigerte Katinkas Spannung ins Unermessliche.
    »Jedenfalls, ein Kollege von mir, Romanist, hat Schwierigkeiten an seinem Lehrstuhl. Es geschehen eigenartige Dinge dort.«
    Katinka zog ihr Notizbuch zu sich heran und angelte einen Bleistift aus dem Gurkenglas mit Schreibutensilien.
    »Welcher Lehrstuhl?«, fragte sie.
    »Ich höre, Sie beißen an. Erinnern Sie sich?
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