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Maskenspiel

Maskenspiel

Titel: Maskenspiel
Autoren: F Schmöe
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manche Fachleute Fehlsichtigkeit in dieser Größenordnung einfach als natürliche Abweichung von der Norm sahen. Diese Sicht der Dinge gefiel ihr ganz gut. Normalität war ihr schon immer suspekt gewesen. Nicht gerade ihr Lebensziel, normal genannt zu werden.
    »Ich weiß, dass du Durst hast«, schnurrte Katinka, als sie sich endlich von Tom weiterziehen ließ. Tom, der Berliner, der in der fränkischen Provinz hängen geblieben war. Wie er behauptete, wegen der Frau, die er liebte, aber Katinka war sich nur zu bewusst, dass die Gastronomie und insbesondere das herausragende Angebot an heimischem Bier einen wesentlichen Anteil an Toms Wohnortwahl hatte. Sie selbst war eindeutig von den romantischen Momenten Bambergs gefangen, hatte sich deshalb die Stadt als Studienort ausgewählt und sie – außer für diverse Lehrgänge – nicht mehr verlassen.
    Sie schlenderten durch den Durchgang des Alten Rathauses, wo ein Gitarrist in Begleitung eines schwarzen Zottelhundes Countrymusic aus seiner zwölfsaitigen Gitarre leierte. Wie immer warf Katinka einige Cent-Münzen in den Hut. Tom hob halb amüsiert, halb genervt die Augenbrauen.
    »So toll spielt der nun auch wieder nicht«, sagte er, als sie am Café Bassanese vorbeigingen. Ein paar Leute saßen unter Gasheizern im Freien und genossen den Frühlingsabend.
    »Ich weiß, was es heißt, wenn man eine berufliche Durststrecke durchmacht«, gab Katinka trotzig zurück.
    »Himmelschimmel!«, rief Tom. »Ich weiß nicht, was du willst. Du hast dein Geschäft doch erst ein paar Monate.«
    »Und noch nicht einen einzigen Auftrag.«
    »Das dauert eben«, brummte Tom, aber Katinka spürte, dass er selbst nicht ganz überzeugt war. Während sie schweigend die Dominikanerstraße entlanggingen und die Auslagen in den Antiquitätengeschäften in Augenschein nahmen, fragte sie sich zum xten Mal selbstkritisch, ob die Idee, eine eigene Detektei für private Ermittlungen zu gründen, nicht doch ein Schuss in den Ofen gewesen war. Jetzt war sie Existenzgründerin – Katinka Palfy, private Ermittlungen – aber eine, die vom Geld ihres Freundes lebte. Das geht nicht gut, stöhnte Katinka in sich hinein, während sie an Bambergs berühmter Bierkneipe namens Schlenkerla vorbeiflanierten. Links über ihnen schob sich drohend der Dom zwischen die Häuser.
    Katinka hatte Geschichte und Archäologie studiert, Fächer, mit denen kein vernünftiger Arbeitgeber etwas anzufangen wusste, wie ihr Vater ihr mehrere Male aus der Ferne mitgeteilt hatte. Er war Architekt in Wien, ein berühmter sogar, und deswegen lebte er die meiste Zeit des Jahres anderswo in der Welt. Manchmal mit Katinkas Mutter, seiner Ex-Frau, manchmal ohne sie. Bisher hatte Katinka seine breitgestreuten Angebote, sie mit Geld zu unterstützen, abgelehnt. Das konnte sie sich natürlich nur leisten, weil sie weitgehend auf Toms Kosten lebte.
    Die Negativprognosen ihres Vaters wurden nach ihrem Examen Wirklichkeit. Da nützte auch das Prädikat mit Auszeichnung nichts, das sie für ihre ausnahmslos mit eins benoteten Prüfungen bekommen hatte. Niemand heuerte Katinka als menschlichen Schaufelbagger an, um – O-Ton Ignaz Palfy – in der Wüste Gobi Steine auszubuddeln. Nach einem halben Jahr Tristesse beschloss Katinka, einen anderen Schnüffeljob zu erlernen. Nicht als Archäologin der Vergangenheit auf die Spur zu kommen, sondern den dunklen Seiten moderner Tage. Sie erwarb ihre Lizenz als Privatdetektivin, arbeitete zwei Jahre unter der Fittiche von Julius Liebitz, einem alten Hasen der Branche, und hatte sich zu Beginn des vergangenen Winters selbständig gemacht. Allerdings war es eine Sache, die formalen Voraussetzungen zu erfüllen, und eine andere, den Anforderungen des Alltags gewachsen zu sein. Seit sie Tag für Tag in ihrem winzigen Büro in der Hasengasse saß und auf Klienten wartete, hielt der Kleinmut in ihrem Herzen Einzug. Verbannt in die Untätigkeit, meldeten sich die Selbstzweifel. Kannst du das überhaupt? Hast du den Mut? Kriegst du das hin? Was, wenn dies oder jenes?
    Eine Wespe summte als Dauerbegleiter in ihrem Kopf herum. Katinka spürte sie schon wieder herbeisummen. Müsstest mal wieder zum Friseur, schnarrte sie böswillig. Zu ihrem eigenen Entsetzen griff sich Katinka sofort an den braunen Haarschopf. Friseure waren teuer und sie hatte kein Geld. Zudem war die Wirkung eines Friseurbesuchs bei ihrem störrischen Haar nach zwei Wochen ohnehin wieder verpufft. Sie konnte sich allzu häufige Investitionen
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