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Maskenball

Maskenball

Titel: Maskenball
Autoren: Arnold Kuesters
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baumelten dicht an dicht von der beleuchteten Bierreklame, die über dem Tresen von der Decke hing. Die vier Bedienungen hatten alle Hände voll zu tun, um die Bestellungen der Gäste abzuarbeiten, die sich dicht an dicht in dem vergleichsweise kleinen Raum drängten. Das Bier lief im endlosen Strom aus den Hähnen. Die gebrauchten Gläser am Waschbecken klirrten jedes Mal, wenn sie aus Platzmangel weiter zusammengeschoben wurden. Auch im Quellensee war die Luft stickig und nahm Carina Bommels im ersten Augenblick den Atem.
    Aber ich muss wenigstens nicht draußen warten, dachte sie, als sie sich endlos langsam Stufe für Stufe die Kellertreppe hinunterarbeiten konnte. Ihre Blase meldete sich. Bloß nicht länger daran denken.
    »Na? Auch mal wieder in Breyell?«
    Carina Bommels hatte die blonde Ortsvorsteherin Breyells nicht gleich erkannt, die ihr in ihrem eng geschnittenen Western-Outfit aus dem Untergeschoss entgegendrängte und eine Stufe über ihrer stehen blieb. »Hallo. Was heißt ›auch mal wieder‹? Ich bin fast jede Woche hier in Breyell. Du weißt doch, dass ich meine Mutter auf dem Friedhof liegen habe. Außerdem, einmal Breyellerin, immer Breyellerin.« Carina Bommels kannte die emsige Lokalpolitikerin und Journalistin noch von der Schule.
    »Brav, liebe Carina, das wollte ich hören. Und sonst? Im Betrieb noch alles in Ordnung?«
    »Ach, geht so. Seit einiger Zeit haben wir wieder mehr zu tun. Es ist halt wie immer. Aus dem Neusser Stammhaus ist ständig so ein junger Werksleiter bei uns im Haus. Der sorgt für mächtig Dampf. Oh je, meine Blase platzt gleich. Ist es arg voll da unten?« Carina musste mittlerweile dringend zur Toilette.
    »Langsam wird es weniger. Wenn es schnell gehen muss, solltest du aufs Männerklo gehen. Die haben mehr Durchlauf. Machs gut, mein Männe wartet schon. Viel Spaß noch. Man sieht sich.« Die Ortsvorsteherin griente sie mitleidig an, tippte mit dem Zeigefinger kurz an den Rand ihres Stetsons und verschwand nach oben.
    Es kam Carina wie eine Ewigkeit vor, als sie endlich unten im Flur vor den Toiletten ankam. Dort war es kalt, denn die Kellerfenster standen offen. Die mit grünen Kacheln im Stil der 70er dekorierte Damentoilette war überfüllt, das konnte Carina Bommels mit einem Blick erkennen. Die Kabinen waren abgeschlossen, vor den Spiegeln standen mehrere Frauen, um ihr Make-up aufzufrischen. Dabei unterhielten sie sich laut über gemeinsame Bekannte und deren »unsägliche Art«, Männer anzumachen, kicherten und zogen und zupften an ihren Kostümen. Die eine oder andere schob ihr ohnehin schon freizügiges Dekolleté noch ein Stückchen tiefer, als gelte es, die besten Waffen für den alles entscheidenden Kampf der Geschlechter bereitzuhalten, der gleich weiter oben im Zelt auszutragen sein würde.
    Carina Bommels konnte es nicht mehr aushalten. Sie musste jetzt. Und zwar sofort. Sie hatte es schon auf der Treppe geahnt, ihre einzige Chance war das Männerklo. Von dort hatte sie schon mehrere Frauen kommen sehen. Ihr Schamgefühl sträubte sich mit aller Macht gegen den Schritt, aber der Druck ihrer Blase war einfach stärker. Carina Bommels atmete tief durch. Besondere Ereignisse erforderten besondere Maßnahmen, dachte sie und drückte sich an einer Geschlechtsgenossin vorbei, die ihr albern kichernd entgegen kam.
    Bloß nicht als prüde Gans wirken. Betont lässig blieb sie daher für einen Moment am Eingang stehen. Ihr war eingefallen, dass sie ja schließlich kostümiert war und man sie schon nicht erkennen würde. Also, was soll’s, dachte sie, entweder wird hier jetzt eine Schüssel frei oder alles Anstehen war umsonst und ich mache mir doch noch in die Hose. Die Aussicht auf einen feuchten Slip war noch unerträglicher als das Grinsen der Männer, die in Reih und Glied an der Pinkelrinne beschäftigt waren und sich nach ihr umgedreht hatten.
    »Keine Angst, Frau Bommels, wir tun dir nichts. Der lustige Harlekin wird doch wohl schon mal einen Mann gesehen haben, oder?«
    Carina Bommels zuckte zusammen. Oh, nein. Burkhard Mertens aus der Konstruktion. Ausgerechnet. Jetzt bloß nicht zurück. Sie sah auf die festgetretenen grünen Papierhandtücher, die über den ganzen Boden verteilt waren. Mit einem betont forschen »Keiner dreht sich um«, rauschte sie an der feixenden Riege vorbei und stieß schwungvoll mit einer Hand gegen eine der Kabinentüren, die nur angelehnt schien.

    Ihr spitzer Schrei ließ alle Gespräche und alles übermütige und
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