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Mary Poppins

Mary Poppins

Titel: Mary Poppins
Autoren: Pamela L. Travers
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verletzen.
    »O Bert, was für ein herrliches Werk!« Und durch die Art, wie sie es sagte, ließ sie ihn fühlen, daß von Rechts wegen das Bild in der Königlichen Akademie hängen müßte. Das ist ein großer Saal, worin berühmte Leute die Bilder aufhängen, die sie gemalt haben. Alles geht hin, um sie sich anzusehen, und nach längerer Betrachtung sagt einer zum andern: »Nein, so was – mein Lieber!«
    Das nächste Bild, an das Mary Poppins und der Streichholzmann herantraten, war womöglich noch schöner. Es war eine Landschaft – lauter Bäume und Rasen, ein Stückchen blaues Meer und im Hintergrund etwas, das aussah wie der Badeort Margate.
    »Mein Gott!« rief Mary Poppins bewundernd und bückte sich, um alles noch besser zu sehen. »Aber, Bert, was ist denn?«
    Der Streichholzmann hatte auch ihre andere Hand ergriffen und sah ganz aufgeregt aus.
    »Mary! Ich hab eine Idee! Wirklich eine Idee! Warum gehen wir nicht hin – gleich jetzt – , gleich heute? Wir beide, hinein in das Bild! Was meinst du, Mary?« Und ihre Hände noch immer in den seinen, zog er sie von der Straße fort, weg von den eisernen Geländern und Laternenpfählen, geradewegs in das Bild hinein. Pfff! Da standen sie nun, mittendrin!
    Wie grün es hier war und wie still, und wie weich war das frische Gras unter ihren Füßen! Kaum war es zu fassen, und doch streiften grüne Zweige raschelnd über ihre Köpfe, wenn sie unter ihnen durchschlüpften, und kleine, bunte Blumen schmiegten sich um ihre Schuhe. Sie staunten einander an, und jeder sah, daß sich der andere verwandelt hatte. Mary Poppins schien es, als habe sich der Streichholzmann einen neuen Anzug gekauft, denn er trug jetzt einen hellen, grün und rot gestreiften Rock zu weißen Flanellhosen und, das Schönste von allem, einen neuen Strohhut. Er sah so ungewohnt sauber aus, wie frisch aufpoliert.
    »Du siehst aber fein aus, Bert!« rief sie bewundernd.
    Bert konnte nicht gleich antworten, denn er sperrte vor Staunen Mund und Augen auf. Dann schluckte er und sagte: »Dunnerlittchen!«

 
     
     

Das war alles. Aber wie er das sagte! Dabei staunte er sie an, so unverwandt und entzückt, daß sie ihrer Tasche einen kleinen Spiegel entnahm und sich darin betrachtete.
    Ja, auch sie selbst, das sah sie nun, hatte sich verwandelt. Um ihre Schultern hing ein herrlicher Mantel aus Kunstseide, über und über zart gemustert, und das Kitzeln im Nacken rührte von einer langen, gekräuselten Feder her, die, wie der Spiegel ihr zeigte, vom Hutrand herabhing. Ihre Sonntagsschuhe waren verschwunden, und an ihrer Stelle hatte sie andere an, noch schönere, mit großen, blitzenden Diamantschnallen. Noch immer aber trug sie die weißen Handschuhe und den Regenschirm.
    »Du meine Güte!« rief Mary Poppins. »Das nenne ich einen Ausgehtag!«
    Sich gegenseitig bewundernd, wanderten sie zusammen durch das Wäldchen, bis sie endlich zu einer sonnigen Lichtung kamen. Dort stand auf einem grünen Tischchen der Nachmittagstee bereit. In der Mitte war ein Berg von Himbeertörtchen aufgebaut, der ihr bis an die Taille reichte. Daneben dampfte Tee in einer großen Messingkanne. Und das Beste von allem waren zwei Teller mit Schnecken und zwei Gabeln, um sie herauszupicken.
    »Ich werd verrückt!« rief Mary Poppins. Das sagte sie immer, wenn sie glücklich war.
    »Dunnerlittchen!« sagte der Streichholzmann nur. Das sagte er immer.
    »Wollen Sie nicht Platz nehmen, meine Dame?« ertönte eine Stimme.
    Sie drehten sich um und sahen einen großen Mann im schwarzen Frack, der, eine Serviette überm Arm, aus dem Wald trat.
    Aufs höchste überrascht, setzte sich Mary Poppins mit einem Plumps auf einen der kleinen, grünen Stühle, die um den Tisch standen. Der Streichholzmann sank sprachlos auf einen anderen.
    »Ich bin der Kellner, wenn Sie gestatten«, erklärte der Schwarzbefrackte.
    »Ach! Aber auf dem Bild habe ich Sie nicht gesehen«, sagte Mary Poppins.
    »Ich stand nur hinter einem Baum«, erklärte der Kellner.
    »Wollen Sie sich nicht setzen?« fragte Mary Poppins zuvorkommend.
    »Kellner setzen sich nie, meine Dame«, entgegnete er, durch die Frage geschmeichelt.
    »Ihre Schnecken, mein Herr!« Und er schob dem Streichholzmann die eine Platte zu. »Und hier Ihre Gabel.« Er wischte sie mit der Serviette ab, bevor er sie auf den Tisch legte.
    Nun machten sie sich an ihren Nachmittagstee. Der Kellner blieb neben ihnen stehen, um zu sehen, ob sie auch alles hatten, was sie brauchten.
    »Wir kriegen
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