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Martha im Gepaeck

Martha im Gepaeck

Titel: Martha im Gepaeck
Autoren: Ulrike Herwig
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geil? Lindseys Ur-Oma hat gesagt, Martha hätte dem alten Sack so richtig eine reingehauen.« Er räusperte sich. »Also, ganz so hat sie es nicht gesagt, aber es klang so ähnlich. Ich hab’s ja auch nur halb verstanden. Stimmt’s, Lindsey?«
    »Was erzählst du denn da?«, sagte Karen. »Martha klaut doch nicht. Niemand in unserer Familie klaut.«
    »Ich hab ihm auch nicht sein Erbe gestohlen«, erklang Marthas Stimme überraschend von hinten.
    Karen fuhr herum. Unbemerkt waren Martha und John über die Wiese gekommen und hatten sich zu ihnen gesellt.
    »Genauso wenig, wie ich Dwaynes Wochenlohn geklaut habe«, erklärte Martha. Sie ließ sich ächzend neben Karen auf der Decke im Gras nieder. John stützte sie dabei. Angus quetschte sich sofort zwischen die beiden Frauen. »Danke, mein Lieber. Meine Knie spielen seit der Zaubervorstellung ein bisschen verrückt.«
    »Was ist mit Dwayne?«, fragte Bernd. Er wechselte einen wachsamen Blick mit Karen.
    In Karens Hinterkopf begannen die Alarmglocken zu klingeln. Dwaynes Wochenlohn. Den hatte Martha.
    »Ich habe Cullens Erbe gewonnen, ganz einfach«, sagte Martha.
    »Und sie hat nicht sein Leben zerstört«, fügte John hinzu. »Wenn überhaupt, hat sie es gerettet. Ohne Martha würden wir schon längst nicht mehr hier, sondern wahrscheinlich irgendwo in Glasgow in einer Sozialwohnung hausen.«
    »Ich verstehe kein Wort«, sagte Karen. »Und das nicht nur, weil mein Englisch nicht so gut ist wie das von Bernd.«
    »Dein Englisch ist viel besser als meins.« Bernd lächelte beruhigend. »Und ich verstehe auch nichts.«
    »Na gut.« Martha seufzte. »Jetzt ist ohnehin alles geklärt, dank der Mithilfe des charmanten Mr Gilford.«
    »Du meinst den Typen von heute früh, der aussah wie ein Totengräber?«, fragte Mark dazwischen.
    »Ja. Attraktiv ist er weiß Gott nicht, aber korrekt. Muss er auch sein, in seinem Job. Er ist nämlich Notar.«
    »Was …«, setzte Bernd an, aber Martha brachte ihn mit einer kurzen Handbewegung zum Schweigen. »Gleich, Bernd. Ich komme gleich dazu. Ihr müsst wissen, dass Cullen MacGregor mir von Anfang an nicht sonderlich sympathisch war. Er war …« Sie sah hilfesuchend zu John, der für sie einsprang.
    »Mein Bruder war ein Taugenichts. Ja, es ist hart, wenn man so was von seiner eigenen Verwandtschaft sagen muss, aber so war es nun mal leider. Schon als Kind hat er die Gefahr und die Gesellschaft zwielichtiger Leute gesucht.« Er holte tief Luft. »Überall hat er Schulden gemacht. Sie haben ihn ja alle gelassen. Er war der Erstgeborene, der Erbe von Glen Manor. Als mein Vater starb, drehte Cullen völlig durch, wie man heute so schön sagt. Er verjubelte unser Geld schneller, als man gucken konnte. Meistens bei irgendwelchen Wetten und Spielchen. Und meistens unter Alkoholeinfluss.« Er fuhr sich mit einem Taschentuch über die Stirn, auf der sich kleine Schweißperlen gebildet hatten. »Es war eine ziemlich üble Zeit. Ich habe oft überlegt, ob ich nicht einfach gehen sollte. Zum Glück hatte ich die Destillerie. Die hatte mein Vater wohlweislich mir vererbt, wahrscheinlich, weil er schon geahnt hatte, dass Cullen und eine Destillerie keine gute Kombination gewesen wären. Und dann kam der Sommer 1960 .« Er lächelte Martha an.
    »Ich habe so einen Busausflug von Edinburgh aus gemacht«, fuhr Martha fort. John setzte sich auf einen der Gartenstühle, die die umsichtige Mrs Warnock inzwischen herbeigeschafft hatte. »Um mal raus in die Natur zu fahren. Das konnte man damals für zwei Pfund. Billig ja, aber dafür war man den Mitreisenden auch gnadenlos ausgeliefert. Lauter schnatternde Hausfrauen, die sofort ihre Sandwichdosen herausholten, als wir noch nicht mal aus Edinburgh heraus waren. Nach zehn Minuten hatte ich schon die Nase voll, aber ich hatte mal vom Theater weggewollt, in dem ich jeden Abend mit Lysander aufgetreten bin. Immer diese schlechte Luft, das Getratsche der Tanzgirls und Lysander, der mich unbedingt heiraten wollte.« Sie lachte kurz auf. »Dieser Jungspund.«
    Karen musste beim Gedanken an den glatzköpfigen Lysander unwillkürlich schmunzeln.
    »Na, jedenfalls bin ich einfach ausgestiegen, als der Bus mal angehalten hat, und in die Natur gelaufen, zum Fluss runter. Ich wusste nicht mal, wo ich war, aber ich dachte mir, dass ich schon irgendwie zurück nach Edinburgh finden würde. Per Anhalter. Das war damals in. Wahrscheinlich haben die im Bus sich gewundert, als ich nicht wiedergekommen bin. Aber das war
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