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Marshall McLuhan

Marshall McLuhan

Titel: Marshall McLuhan
Autoren: Douglas Coupland
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Cyberspace-Universums der Gefahr der Verbreitung von Gerüchten, der Desinformation und der Überwachung gnadenlos ausgeliefert zu sein – Gefahren, die auf der Unfähigkeit einer neuen, globalen und im Wesentlichen oralen Kultur, zu differenzieren, zu überprüfen und zu nuancieren, basierten und die uns erst allmählich bewusst würden.
    »Die Gefahr«, so McLuhan weiter,

    ist der Normalzustand jeder mündlichen Gesellschaft, da in ihr alles alles zugleich betrifft. […] In unserem langen Bemühen, für die westliche Welt ein bisschen Einheit von Sensibilität und Denken zurückzubekommen, sind wir nicht mehr vorbereitet worden, die Konsequenzen eines Stammes zu akzeptieren, als wir bereit waren, die Fragmentierung der menschlichen Psyche durch die Druckkultur hinzunehmen.
    Offensichtlich und doch nicht
    Nun ja, mit einer genialen Idee ist es so: Sobald man sie äußert, heißt es: »Na ja, das ist doch offensichtlich.«
    Oder die Leute behaupten: »Na ja, wenn ich mich hingesetzt und richtig darüber nachgedacht hätte, wäre ich auch darauf gekommen.« Aber das sind sie nicht – und hätten es auch nie gekonnt, selbst wenn sie es noch so sehr gewollt hätten. Um eine geniale Idee zu haben, muss eine Unmenge an biographischen Faktoren zusammenkommen, und wenn auch nur ein einziger davon fehlt, war es das mit der genialen Idee. Kein Mensch weiß, welche Faktoren das sind, oder bei wem sie eintreffen. Nehmen wir Bill Gates, der einer der reichsten Männer der Welt ist und mit den anderen reichsten Männern der Welt befreundet ist. Er ist außerdem mit den intelligentesten Menschen der Welt befreundet und/oder ihr Arbeitgeber. Bill Gates und all die anderen ziehen sich also in Schwitzhütten-Retreats und Davos-Foren zurück und versuchen herauszufinden, was als Nächstes passiert. Was als Nächstes passierte, war, dass sie dabei nicht an Google gedacht hatten. An soziale Netzwerke. Und an das iPhone. Ideen entstehen nicht dort, wo sie es sollen. Marshalls Karriere beweist das.

    Umwelten sind unsichtbar. Ihre Grundregeln, ihre durchgängige
    Struktur und umfassenden Muster entziehen sich einer
    oberflächlichen Wahrnehmung.
    M. M.
    McLuhan: Die Marke
    Insofern Geschichte an Menschen erinnert, nagelt sie sie auch fest. McLuhan wird auf zwei Aussagen festgenagelt, die irgendwann zu Klischees wurden: »Das Medium ist die Botschaft« und »das globale Dorf«. Er hat sehr viel mehr als das geleistet, aber diese Worte sind sozusagen sein Markenzeichen.
    »Das Medium ist die Botschaft« bedeutet, dass der augenscheinliche Inhalt sämtlicher elektronischer Medien unerheblich ist und das Medium selbst die größere Auswirkung auf die Umwelt hat – eine Aussage, die durch die medizinisch inzwischen unbestreitbare Tatsache untermauert wird, dass die täglich genutzten Technologien nach einer Weile die Arbeitsweise unseres Gehirns verändern und damit auch die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen. Vergessen wir zum Beispiel mal den augenscheinlichen Inhalt einer Fernsehsendung. Was zählt, ist vor allem, dass man fernsieht, statt ein anderes Medium – etwa Bücher oder das Internet – zu nutzen. Je nachdem, mit welchen Medien wir unsere Zeit verbringen, verlagern wir das Gewicht auf einen anderen Sinn – Sehen vs. Hören vs. Tasten –, und zwar in einem Ausmaß und über so viele Jahrhunderte hinweg, dass es nach Marshalls Tod mindestens ein Jahrzehnt dauerte, bis man ihm Recht gab, nämlich mit dem Siegeszug des Internets.
    Marshalls zweiter Klischee-Begriff »das globale Dorf« umschreibt die Idee, dass elektronische Technologien eine Ausweitung des menschlichen Zentralnervensystems sind und die kollektiven Nervenleitungen unseres Planeten eine einzigeblubbernde, diffuse, quasi-fühlende, rund um die Uhr aktive Meta-Community bilden.
    Und man muss bedenken, dass McLuhan weder in der NASA noch bei IBM saß, als er zu diesem Schluss kam, sondern indem er sich mit den Verfassern geheimer Reformationsflugschriften aus dem 16. Jahrhundert, dem Werk von James Joyce und den perspektivischen Zeichnungen der Renaissance beschäftigte. Er war ein Meister der Mustererkennung, ein Mann, der eine Trommel rührte, so groß, dass sie nur alle hundert Jahre gerührt wird.
    Es gibt aber noch einen dritten Punkt, an den wir uns erinnern sollten: Der Mann in dem kühlen, ruhigen Büro, der gerade eine Biene gerettet hat, war ein Superstar gewesen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt Mitte der Sechziger war er nicht mehr nur der kluge
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