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Marsha Mellow

Marsha Mellow

Titel: Marsha Mellow
Autoren: Maria Beaumont
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...Ja ... Hi, Ros ...«
    Wer ist Ros?
    Er rutscht von meinem Schreibtisch herunter und kehrt mir den Rücken zu. Er spricht mit gedämpfter Stimme, sodass sonnenklar ist, bei wem es sich um Ros handelt. Und ich habe bereits geglaubt, dass er mich zum Essen einladen möchte. Träum weiter, Amy.
    »... Wir telefonieren wieder. Das machen wir bald«, sagt er, während er sich wieder mir zuwendet. »Ja, ich auch. Ich freu mich darauf.«
    Er klappt sein Handy zu und lächelt mich freundlich an ... Aber das ist nicht mehr dasselbe. Jetzt ist alles anders. Schließlich gibt es eine Ros in seinem Leben.
    »Entschuldigen Sie die Unterbrechung«, sagt er. »Wo waren wir stehen geblieben? Ich wollte gerade ...«
    »Verfluchte Scheiße, Amy, ich weiß ja, dass Frauen sich schon an Zäunen festgekettet haben, um für ihr Recht auf ein halbwegs anständiges Vorspiel zu demonstrieren, aber ich musste ihn praktisch an den Ohren hochziehen und mich auf das Ding setzen. Jedenfalls kann Oralsex keinesfalls mithalten mit... Wie heißt das noch? ... Oh, hi, Lewis. Ich hab Sie gar nicht gesehen.«
    »Ich glaube, das Wort, das Sie suchen, Julie, ist Penetration«, begrüßt Lewis meine Arbeitskollegin, die inzwischen an den gegenüberliegenden Schreibtisch gegangen ist und ihre Jacke über die Stuhllehne hängt. Gleich darauf verzieht er sich. Ich betrachte seinen Hintern, der sich bestimmt zum letzten Mal von meinem Schreibtisch entfernt - der Hintern, mit dem ich (in diversen Tagträumen) bereits verheiratet bin und Kinder habe.
    »Ups«, sagt Julie. »Bin ich in etwas hineingeplatzt?«
    »Nein, ach was«, entgegne ich und schwöre insgeheim Rache.
    »Gut, ich wollte dir nämlich von Alan berichten«, plappert Julie weiter. Es ist einer jener Morgen nach der ersten Nacht mit dem neuen Freund. Zeit für eine Wiederholung.
    »Und, wie war‘s?«, frage ich, froh über den Themenwechsel.
    »Mmmm«, stöhnt Julie und schmilzt sichtlich auf ihrem Stuhl dahin. »Ich muss dir alles darüber erzählen. Der Typ ist eine Maschine. Er hat durchgehalten bis ... Willst du nicht drangehen?«
    Mein Telefon klingelt. Ich bin hin- und hergerissen, ob ich es ignorieren soll - bestimmt ist das wieder Mary - oder ob ich drangehen soll, um Julies ausführlicher Beschreibung der vergangenen Nacht bis zum letzten Tropfen zu entgehen. Beim fünften Klingeln hebe ich ab.
    »Um Himmels willen, Mary, gönn mir eine Pause«, fauche ich in den Hörer.
    »Hier ist nicht Mary«, erwidert meine Schwester - meine echte.
    »Tut mir Leid, Lisa«, fauche ich erneut.
    »Warum fauchst du mich denn an?«
    »Ich fauche gar nicht.« Ich bin kurz davor zu schreien. Im nächsten Moment beruhige ich mich wieder und sage: »Tut mir Leid. Heute läuft eben alles schief.«
    »Scheiße, bei mir auch. Wir müssen unbedingt miteinander reden.«
    Sollte meine jüngere Schwester nicht gerade zur Jerry Springer Show eingeladen worden sein, um mit all ihren Verflossenen samt deren Ehefrauen konfrontiert zu werden, kann es Lisa unmöglich dreckiger gehen als mir, aber ich sehe großzügig darüber hinweg. »Hier ist es im Moment schlecht«, erwidere ich. »Ruf mich doch heute Abend an.«
    »Aber Amy...«
    »Gerade kommt ein Anruf auf der anderen Leitung.« Ich würge sie erleichtert ab. »Ruf mich später an.«
    Ich schalte auf die andere Leitung. »Guten Morgen, hier ist die Redaktion von Working Girl«
    »Und?« Es ist Mary.
    »Hi, ich wollte dich soeben ...«
    »Ich weiß, du wolltest mich gleich nach deinem Gespräch ›auf der anderen Leitung‹ zurückrufen«, unterbricht sie mich, und ich kann die Anführungszeichen förmlich hören. »Amy, Liebes, kann ja sein, dass diese Pressetante sich irgendwann den Kältetod auf der Straße holt, aber trotzdem wird sich das Problem nicht von allein lösen.«
    »Tut mir Leid, ich könnte etwas mehr Initiative an den Tag legen, nicht?«
    »Das hast du richtig erkannt. Marsha Mellow würde das viel besser handeln. Du solltest dir mal ein Beispiel an ihr nehmen.«
    Die bloße Erwähnung dieses Namens verwandelt meine Stimme wieder in ein Fauchen. »Himmel, Mary, ich sitze hier mitten in einem Großraumbüro. Ich kann jetzt nicht ungestört reden.«
    »Aber dir bleibt nichts anderes übrig, Engelchen. Deine Zeit wird allmählich knapp und ...«
    »Hör zu, wir treffen uns nach Feierabend«, falle ich ihr ins Wort. Das will sie zwar nicht hören, aber etwas Besseres kann ich ihr im Moment nicht anbieten. »Komm doch um acht zu mir. Bis später dann.«
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