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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Ektogene. Wir wurden nicht geboren, sondern dekantiert.« Er blickte triumphierend auf seine erschrockene und faszinierte kleine Schar. Dann schlug er Nirgal mit der Faust voll auf die Brust, stieß ihn quer durch das Labor und ging fluchend hinaus. »Wir haben keine Eltern.«
    Zusätzliche Besucher waren jetzt eine Belastung. Aber dennoch gab es eine Menge Aufregung, wenn sie kamen; und viele Leute blieben am ersten Besuchstag bis weit in die Nacht auf und plauderten, um alle Neuigkeiten zu erfahren, die sie aus den anderen Zufluchtsstätten bekommen konnten. Davon gab es im Südpolgebiet ein ganzes Netz. Nirgal hatte in seinem Pult eine Karte mit roten Punkten, die alle vierunddreißig zeigten. Und Nadia und Hiroko schätzten, daß es noch mehr waren, in anderen Netzen im Norden oder in völliger Isolierung. Aber sie alle hielten Funkstille. Man konnte also nicht sicher sein. Darum waren Nachrichten hoch geschätzt. Gewöhnlich waren sie das Kostbarste, was Besucher zu bieten hatten, selbst wenn sie, wie gewöhnlich, mit Geschenken kamen und alles gaben, was sie nur hatten herstellen oder bekommen können und das ihre Gastgeber nützlich finden könnten.
    Während dieser Besuche lauschte Nirgal genau auf die langen lebhaften Gespräche in den Nächten, wobei er auf dem Boden saß oder herumging und die Teetassen der Leute nachschenkte. Es war ihm völlig bewußt, daß er die Regeln der Welt nicht kannte. Ihm war unerklärlich, warum Leute so handelten, wie sie es taten. Natürlich verstand er nicht die Grundtatsache der Lage - daß es zwei Seiten gab, die in einem Wettbewerb um die Herrschaft über den Mars steckten - daß Zygote Anführer der richtigen Seite war - und daß schließlich die Areophanie siegen würde. Es war ein ungeheures Gefühl, in diesem Kampf beteiligt zu sein, ein entscheidender Teil der Geschichte zu sein. Es machte ihn oft schlaflos, wenn er sich ins Bett schleppte, während sein Geist bis zum frühen Morgen durch Visionen tanzte von allem, was er zu diesem großen Drama beitragen und Jackie und alle anderen in Zygote in Erstaunen setzen würde.
    Manchmal lauschte er sogar in seinem Verlangen, mehr zu lernen. Er tat das, indem er in der Ecke auf einer Couch lag und in ein Heft schaute, wobei er darin kritzelte oder vorgab zu lesen. Recht oft merkten Leute anderswo in dem Raum nicht, daß er zuhörte, und manchmal sprachen sie sogar über die Kinder von Zygote, besonders dann, wenn er sich gerade draußen in der Halle herumtrieb.
    »Hast du gemerkt, daß die meisten von ihnen Linkshänder sind?«
    »Ich schwöre, daß Hiroko mit ihren Genen etwas angestellt hat.«
    »Sie sagt nein.«
    »Die sind schon fast so groß wie ich.«
    »Das ist eben die Schwerkraft. Seht euch nur Peter an und die übrigen Nisei! Sie sind natürlich geboren und meistens groß. Aber die Linkshändigkeit muß genetisch bedingt sein.«
    »Sie hat mir einmal gesagt, es gäbe eine einfache transgenische Einfügung, die das Corpus Callosum größer werden ließe. Vielleicht hat sie damit herumgespielt und als Nebeneffekt die Linkshändigkeit erzielt.«
    »Ich dachte, Linkshändigkeit ginge auf einen Gehirnschaden zurück.«
    »Das weiß niemand. Ich denke, daß sogar Hiroko davon überrascht ist.«
    »Ich kann nicht glauben, daß sie mit den Chromosomen herumgefummelt hat zwecks Gehirnentwicklung.«
    »Bedenke - Ektogene sind leichter zugänglich.«
    »Wie ich höre, ist ihre Knochendichte schwach.«
    »Das stimmt. Auf der Erde haben sie Schwierigkeiten. Sie sind auf Hilfsgeräte angewiesen.«
    »Das ist wieder das Ge. Das macht uns allen wirklich Schwierigkeiten.«
    »Erzähl mir davon! Ich habe mir den Unterarm gebrochen, als ich einen Tennisschläger geschwungen habe.«
    »Linkshändige große Vogelmenschen, das ist es, was wir hier züchten. Das ist bizarr, wenn du mich fragst. Wenn man sie über die Dünen laufen sieht, könnte man meinen, daß sie gleich abheben und davonfliegen.«
    In dieser Nacht hatte Nirgal die übliche Mühe einzuschlafen. Ektogene, transgen ... das gab ihm ein komisches Gefühl. Weiß und Grün in ihrer Doppelhelix... Stundenlang warf er sich herum und fragte sich, was das ihn plagende Unbehagen bedeutete und was er fühlen sollte.
    Endlich sank er erschöpft in Schlaf. Und dann hatte er einen Traum. Vor dieser Nacht hatte er stets von Zygote geträumt, jetzt aber träumte er, in der Luft über die Oberfläche des Mars zu fliegen. Große rote Schluchten durchschnitten das Land, und Vulkane ragten
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