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Marlon, die Nummer 10

Marlon, die Nummer 10

Titel: Marlon, die Nummer 10
Autoren: Joachim Masannek
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Wort und zum ersten Mal erinnerte er mich an Rainer Calmund. So blähte ihn sein Selbstbewusstsein jetzt auf: „Und wann machen wir das?“
    „In acht Wochen“, sagte Felix ganz ernst. So etwas nahm er nicht auf die leichte Schulter. Doch dann steckte ihn Rabans Übermut an. Ein Strahlen sprang aus Felix’ Augen heraus. „Ja, Raban hat Recht. In acht Wochen qualifizieren wir uns für Bayern. Und zwei Wochen später gewinnen wir auch noch die Endauswahl! Dann sind wir für Deutschland dabei! Verflixt und zugenäht! Wisst ihr, was das bedeutet?“
    Felix strahlte noch immer. Sein Strahlen erreichte die Ohren. Die wurden knallrot und erwartungsvoll blickte er in die Runde. Hatte er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt? War er zu übermütig geworden?
    „Beim flie-ha-ha-hiegenden Orientteppich!“, stammelte Deniz, die Lokomotive.
    Dann schwiegen wir alle.
    Felix’ Ohren glühten so stark, dass sie die Halle von Camelot wie eine rote Lampe erhellten.
    „V-ver-ffflixt und zugenäht!“, flüsterte Felix. „Ich meine, vielleicht schaffen wir’s ja.“
    „Ja, vielleicht“, lächelte ich. „Auf jeden Fall ist das ein ganz starker Traum.“
    „Ein Traum?“, fragte Joschka enttäuscht.
    „Genau!“, nickte ich. „Ein Traum, den man mit offenen Augen träumt. Und das sind die besten. Das hat mein Opa gesagt. Die geben einem die Kraft, mit der man alles erreichen kann. Alles, wovon man halt träumt!“
    Mein Lächeln verwandelte sich in ein verschmitztes Grinsen.
    „Santa Panther und Jaguar!“, zischte Rocce, der Zauberer, mein bester Freund, und Felix, der Wirbelwind, atmete aus. So erleichtert war er, und ich wette darauf: In diesem Moment liebte er seine glühenden Ohren.

88, 89, 90
    Am nächsten Tag schlief ich aus. Es war Sonntag und da machten wir das bei uns zu Hause nun mal. Erst um Viertel nach acht stand ich auf. Ja, um Viertel nach acht. Aber wenn man seit halb sieben wach im Bett liegt und nur darauf wartet, dass der Tag endlich losgehen kann, dann hat man bis acht Uhr fünfzehn ganz schön lang ausgeschlafen. Deshalb sprang ich jetzt aus dem Bett.
    „Dafür bring ich dich um!“, fluchte Leon und als die Tür des Kleiderschranks knarzte und quietschte, warf er mir einen Blick zu, der so scharf war wie das rostfreie Fallbeil einer Guillotine. Verflixt! Selbst im Halbschlaf war mein Bruder noch gefährlich und wild. ,Marlon, du solltest vorsichtiger werden‘, warnte ich mich. Doch dann musste er gähnen.
    „Aber warte!“, grummelte Leon. „Alles der Reihe nach. Zuerst schlaf ich aus.“
    Er zog sich die Decke über den Kopf, doch die war zu kurz. Seine nackten Füße rutschten unten heraus.
    „Kacke verdammte!“ Leon versuchte verzweifelt, die Decke länger zu ziehen. Er riss und zerrte an ihr herum. „Und dafür stirbst du noch mal!“ Er starrte mich an. „Das sind jetzt schon 89 Tode. Ich hab nachgezählt!“, fauchte er, ließ die Decke Decke sein und packte sich das Kopfkissen auf den Kopf.
    „Gute Nacht!“, lachte ich und zog den Reißverschluss meines Mechanikeroveralls zu. „Und träum weiter, Brüderchen!“
    Ich rannte hinaus in den Flur. Dort hörte ich meinen Vater. Er schnarchte so laut, dass die Schlafzimmertür in den Angeln vibrierte. Dann schreckte er auf: „Hey, bist du verrückt? Warum hältst du mir die Nase zu?“, beschimpfte er seine Freundin und Leon schimpfte aus dem Kinderzimmer zurück.
    „Ruhe! Verflixt! Ich will schlafen! Kapiert das hier keiner?“
    Doch da war ich bereits aus dem Haus. Ich war heilfroh. Das könnt ihr mir glauben. So ein Sonntagmorgen-Ausschlafbrimbamborium ist ein gigantischer Stress. Ich hatte was Besseres vor. Ich sprang auf mein Fahrrad, schaltete die Gangschaltung auf Rennbetrieb um und raste davon, raus aus der Hubertusstraße und in das Himmelstor rein. Ich flog wie auf Wolken, und als ich die Nummer 13 erreichte, öffnete sich schon das dunkle, schmiedeeiserne Tor. Wie von Geisterhand schwang der Torflügel auf und ich raste hindurch. Ich raste durch den riesigen Garten und an der noch riesigeren Villa vorbei. Hier wohnte Giacomo Ribaldo, der Fußballgott vom FC Bayern , doch das war mir völlig schnurzpiepegal. Denn hier wohnte auch Giacomos Sohn. Hier war Rocce zu Hause, seitdem er ein Wilder Fußballkerl war, und hier wartete er jeden Samstagnachmittag und Sonntagmorgen auf mich. Hier, hinter der Villa im hintersten Zipfel des Gartens. Hier hatten wir uns einen Schuppen gebaut: eine Garage, und vor dieser Garage hielt ich
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