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Marlon, die Nummer 10

Marlon, die Nummer 10

Titel: Marlon, die Nummer 10
Autoren: Joachim Masannek
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jetzt an.
    Rocce stand da und er trug den selben Mechanikeroverall wie ich.
    „Wo bleibst du denn?“, foppte er mich. „Hat dich Leon schon wieder getötet?“
    „Worauf du Gift nehmen kannst!“, grinste ich und lehnte mein Fahrrad gegen die Birke. „Zum 88. und 89. Mal. Das hat er zumindest behauptet.“
    „Mein Gott! Wie ist er denn auf diese Zahlen gekommen?“, fragte mich Rocce.
    „Ich hab sie ihm gestern gesagt. Ich hab ihm gesagt, dass ich eine Katze bin, die neunzig Leben besitzt.“
    „Das ist gut!“, lachte Rocce und hob die Hand zum High Five.
    „Ja, solange du wild bist!“, gab ich zurück, doch dann hielt ich es einfach nicht länger aus. „Und was ist? Hast du schon nachgeschaut? Ist der Lack trocken? Hat er Blasen geworfen? Sind irgendwo Nasen gelaufen?“
    „Nein. Das hab ich nicht!“, antwortete Rocce und schaute mich vorwurfsvoll an. „Diese Garage hat keiner von uns jemals alleine betreten.“
    Ich schluckte und nickte und dann dachte ich: „Wow! Was ist das für ein Kerl. Das hätte ich nicht geschafft.“ Ich mein, wenn die Garage in meinem Garten gestanden hätte. Und das schon seit Wochen. Ich hätte das einfach nicht ausgehalten. Nein. Ich wäre hineingegangen. Da war ich mir absolut sicher.
    „Was ist? Willst du wieder nach Hause?“, neckte mich mein bester Freund.
    „Wie bitte? Was? Auf gar keinen Fall!“, antwortete ich.
    „Also dann, worauf warten wir noch?“, fragte der Brasilianer lächelnd und trat mit mir vor das Tor.
    Wir bückten uns und gemeinsam schoben wir das Rollgatter hoch. Das Sonnenlicht fiel in die dunkle Garage hinein und ließ dort zwei viereckige, aus Tüchern und Dachlatten zusammengenagelte Zelte erscheinen. Hier und da lugte ein Reifen mit Geländeprofil unter den Leinen hervor.
    „Das ist der Tag!“, flüsterte Rocce.
    „Ja, das ist der Tag!“, sagte ich und hielt die Luft an.
    Ich hörte wieder diese Musik. Sie war wunderschön. Doch irgendetwas klang nicht zusammen. Da war auf einmal ein dunkler, düsterer Ton. Ich nahm ihn kaum wahr. Trotzdem machte er mich nervös.
    „Machen wir es gemeinsam?“ Rocce schaute mich erwartungsvoll an.
    Ich nickte. Ich konnte nicht anders. Darauf hatten wir Wochen gewartet.
    „Okay! Dann bei drei!“, sagte er.
    „Bei drei oder nach drei!“, fragte ich nach, als hätte ich es nicht richtig verstanden. Aber in Wirklichkeit brauchte ich Zeit. Der Ton wurde lauter.
    „Bei drei!“, erwiderte Rocce. „Ist alles okay?“
    „Ja. Alles okay!“, antwortete ich und biss die Zähne zusammen.
    „Dann geht es los. Eins. Zwei und... Drei!“
    Ich riss mich los. Ich ignorierte den Ton. Ich warf meine Intuition in die Ecke, trat einen Schritt vor und riss mit Rocce zusammen die Tücher von den Dachlatten ab. Das Reißen des Stoffes übertönte die Musik und den Ton und dann war es still. So still, wie nach Rocces Breakdancer-Tor gegen die SpVg Solln . Majestätisch, königlich still.
    Ehrfurchtsvoll schritten wir um unsere Gelände-Gokarts herum. Der Lack, den wir gestern gespritzt hatten, glänzte wie eine makellose, smaragdschwarze Haut. Keine Nase oder Blase zeigte sich auf den Karosserien. Die duckten sich flach auf den Boden und streckten ihren Hintern stolz in die Luft. Dort schlief das Herz unserer Panther. So hatten wir unsere Renner getauft. Die 250 ccm starken Viertakt-Motorenhatten 18 PS, ein Fünf-Gang-Getriebe und erreichten stolze 120 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit. Ja, ihr habt richtig gehört. Das waren Renn-Karts. Sie wurden auf Off-Road-Grand-Prixs gefahren, Kinder-Grand-Prixs selbstverständlich.
    Rocce und ich strahlten uns an. Auf diesen Moment hatten wir lange gewartet. Jeden Samstag und Sonntag hatten wir in der Garage geschraubt. Wir hatten alles alleine gemacht und jetzt waren wir endlich am Ziel.
    „Wir müssen sie nur noch fahren!“, grinste Rocce mich an. „Hier, Marlon, fang!“
    Rocce warf mir einen Helm zu und ich fing ihn überrascht auf. Der Integral-Helm war neu, pechschwarz und über dem Visier leuchtete ein orange-goldenes Logo: ,Wilder Panther‘ wob sich als Schriftzug um einen Wilden Kerl . Der riss sein Maul auf, als wollte er brüllen. Ja, und darüber glühte meine Rückennummer, die Nummer 10.

    „Krumpelkrautrüben!“, staunte ich. „Rocce!?“
    „Den schenk ich dir“, lächelte er. „Aber jetzt ist Schluss mit den Feierlichkeiten. Das ist ja fast wie bei uns in der Kirche. Los, in der Ecke steht ein Kanister.“
    „Verflixt! Du hast Recht!“,
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