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Mark Brandis - Unternehmen Delphin (Weltraumpartisanen) (German Edition)

Mark Brandis - Unternehmen Delphin (Weltraumpartisanen) (German Edition)

Titel: Mark Brandis - Unternehmen Delphin (Weltraumpartisanen) (German Edition)
Autoren: Mark Brandis
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verstummte. Es war weder die Zeit noch der Ort, um sich mit privaten Erinnerungen zu belasten.
    Auf die Venus, wo er Ruth verlassen hatte, führte vorerst kein Weg zurück.
    Der koreanische Leutnant, mußte sich Brandis eingestehen, hatte sich nicht überzeugen lassen, und das bedeutete, daß das Uhrwerk weiter tickte. Der überraschende Angriff auf die VOR würde zum festgesetzten Zeitpunkt stattfinden.
    General Gordon B. Smith, dachte Brandis, allein in der Enge des Ruheraumes, während die Lotus zur Landung in Peking ansetzte: General Gordon B. Smith, Beherrscher der Erde und des Alls!

Kapitel 03
    Kurz nach 08.00 Uhr Metropolis-Zeit hatte ich das Triebwerk ausgeschaltet, und seitdem trieb Delta VII auf der einmal eingeschlagenen Bahn weiter durch die Unendlichkeit des Raumes. Lediglich die Zusatzaggregate summten auch weiterhin und erfüllten ihre Aufgabe, uns mit Licht, Wärme und Sauerstoff zu versorgen und die Cockpitscheiben vor der Vereisung zu bewahren.
    Nichts läßt sich mit einem solchen Dahintreiben im Raum vergleichen. Das Triebwerk ist ein trügerischer Freund. Solange es Energien umsetzt in Bewegung und damit das Schiff vorantreibt, täuscht es vor, daß auch die Unendlichkeit ihre festumrissenen Grenzen hat. In gewisser Weise läßt es den Menschen, der sich ihm anvertraut, das Schiff als eine Art Brücke zwischen zwei von Menschen bewohnbaren Punkten empfinden: dem Start und dem Ziel. Aber sobald es aufhört zu arbeiten, erlischt auch die Täuschung. Die meßbare Zeit verblaßt vor den Millionen und Milliarden von Lichtjahren. Nur die Verläßlichkeit der Maschine ermöglicht die Rückkehr in die Welt, der wir angehören, in die Welt der Menschen, bevor die Erkenntnis des Grenzenlosen das Bewußtsein zerreißt.
    Es war ein Gefühl, dem Stroganow und Ibaka nicht weniger ausgeliefert waren als ich. Anfangs versuchten sie, den Anhauch des Unbegreifbaren mit Scherzen und witzigen Bemerkungen zu überspielen, doch mit der Zeit wurden auch sie schweigsam und in sich gekehrt. Daß selbst Stroganow, dieser Überlebende aus der Windjammerzeit der Raumfahrt, diesen Anhauch noch verspürte, hatte ich nicht erwartet. Mit seinen neunundvierzig Jahren und einer Fülle an Erfahrungen hatte ich ihn, ich weiß nicht warum, dagegen gefeit gewähnt, vielleicht, weil er mir einmal erzählt hatte, daß die Phönix -Raumschiffe, auf denen er in seiner Jugend gereist war, für den Flug von der Erde zur Venus, den man heute in weniger als fünfunddreißig Stunden zurücklegte, noch hundertundsiebenundvierzig Tage benötigten – mehr als doppelt soviel, wie Kolumbus einst auf der guten alten Erde für seine Seereise in die Neue Welt gebraucht hatte. Aber – diese Frage drängte sich mir beharrlich immer wieder auf – was bedeutete das schon, die Reisegeschwindigkeiten zu verzehnfachen oder gar zu verhundertfachen, sofern man damit doch nur stets aufs Neue ins Leere, in die trostlose Öde des Weltalls vorstieß?
    Wer im Raum mit gestopptem Triebwerk dahintreiben mußte, war zwangsläufig dieser bohrenden Frage ausgeliefert, erkannte die Grenzen des Menschen – oder brach aus ihnen aus, fühlte sich als Stern unter Sternen. Fälle dieser Art hatte es wiederholt gegeben: schiffbrüchige Piloten, nach Wochen des Dahintreibens im All schließlich geborgen. Nicht alle hatten sie in die Welt der Menschen zurückgefunden – viele von ihnen waren im Geist bei den Sternen geblieben und dämmerten nun in irgendwelchen Sanatorien dahin: sprachlos und unansprechbar.
    Ich hatte mich im Ruheraum ausgestreckt und ließ mir ein Buch auf die Decke projizieren – »Auferstehung« von Leo Tolstoi, ein Autor, den man vor kurzem wiederentdeckt und mir sehr empfohlen hatte –, doch obwohl ich sonst sehr gerne las, wollte es mir diesmal nicht gelingen. Meine Gedanken irrten ab. Das Warten und die Untätigkeit zehrten an meinen Nerven. Es war mir einfach nicht möglich, die zwei Jahrhunderte, die mich von den Gestalten Tolstois trennten, zu überspringen.
    Gegen 12.00 Uhr Metropolis-Zeit scheuchte mich Ibaka über den Bordlautsprecher auf.
    »Sir, da kommt gerade eine wichtige Durchsage.«
    Es war viel zu früh für eine Nachricht des Commanders. Um diese Zeit konnte er in Peking allenfalls gelandet sein, vorausgesetzt, die Lotus hatte ihn tatsächlich nach Peking geschafft.
    Ich sprang auf. »Ich komme.«
    Stroganow und Ibaka machten sonderbar betroffene Gesichter. Beide uns interessierenden Frequenzen waren eingeschaltet, sowohl die der
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