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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber
Autoren: Léo Malet
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Tips?“
    „Du hast Cabirol gekannt. Du
hast Badoux gekannt. Vielleicht hast du sie zusammen reden hören. Außerdem
warst du dabei, als Badoux in Isabeaus Königsturm kam. Der ist doch sicher an
eine bestimmte Stelle gegangen.“
    „Ich hab keine Tips für Sie,
M’sieur. Cabirol hat mir nie was erzählt. Ich hab von dem Ganzen keinen blassen
Schimmer. Sieht mir übrigens aus wie ‘n übler Scherz.“
    „Wie du meinst. Hätte ich das
gewußt, dann wär ich mit dir auf den Mars geflogen. Hättest bestimmt sofort
mitgemacht, so wie du aussiehst.“
    „Nein. Ich seh nämlich so aus
wie einer, der nicht mitmacht.“
    „Du bist wirklich zu blöd. Na
gut. Das war alles. Mehr wollte ich nicht von dir wissen. Die Sitzung ist
beendet.“
    Ich stand auf. Odette blieb
sitzen. Latuit folgte meinem Beispiel, immer noch die Kanone in der Hand.
    „Denk trotzdem mal drüber nach,
Latuit. Ich sprech jetzt nicht mehr vom Schatz. Ich sprech von deiner Zukunft.
Du solltest dir ‘ne andere Bleibe suchen. Luftveränderung. So innerhalb der
nächsten acht Tage. Dann überkommt mich nämlich möglicherweise das Verlangen,
meinem Freund Flori-mond Faroux von der Kripo Geschichten zu erzählen. Und zwar
ohne Rücksicht auf Madame Jacquier oder Mademoiselle Larchaut... Ach ja! Und
vergiß nicht Mareuil. Ich sag’s dir: seit neulich trägt er dein Bild im Herzen.
Und wenn er dich in die Gegend von Rungis einordnen
kann...“
    Latuit verzog den Mund. Die
Knitterfalten gingen davon nicht weg.
    „Jetzt reicht’s, Flic. Werd
drüber nachdenken.“
    „M’sieur. Hast du vergessen.“
    „Schnauze.“
    „Mademoiselle Larchaut, bitte
öffnen!“
    Wortlos stand sie auf, wankte
zur Tür, öffnete sie. Ich ging rückwärts hinaus. Sie begleitete mich.
    „Wird schon werden“, tröstete
ich sie augenzwinkernd und verabschiedete mich.
    Sie brachte kein Wort heraus.
Ich ging ohne Eile die imposante Treppe hinunter, die Hand auf dem
wunderschönen Geländer. Genauso gemächlich schritt ich über den Vorhof. Endlich
stand ich wieder auf der Straße im Herzen dieses Viertels. Früher trugen die
Männer unter ihrem Wams Stahlwesten, wenn sie durch die engen Gassen schlichen.
Vorsichtige Leute.
     
    * * *
     
    Durch die Rue Elzévir und die
Rue Barbette schlenderte ich zur Rue Vielle-du-Temple. Zu dieser nächtlichen
Stunde waren die Straßen menschenleer. Jedenfalls so gut wie. Von der Rue
Barbette an war ich mir fast sicher, daß mir in einiger Entfernung ein Schatten
folgte. Als ich dann vor Isabellas Turm stehenblieb, sah ich aus den
Augenwinkeln, wie sich der jetzt schon vertraute Schatten in eine Häuserecke
drückte und wartete.
    Ich weiß nicht, welche Behörde
(städtisch, regional, national) für das Vorhängeschloß vor der kleinen Tür
zuständig war. Aber seit dem Tod des jungen Badoux war es noch nicht durch ein
neues ersetzt worden. Wahrscheinlich eine Geldfrage. Ein einfacher Holzkeil war
an seine Stelle getreten.
    Im Viertel herrschte die
übliche Stille. Einige Autos, aber sehr wenige Fußgänger. Als weit und breit
keiner mehr zu sehen war, ging ich in die Ruine. Mit meiner Taschenlampe
leuchtete ich mir den Weg zu dem entferntesten Winkel, so schnell es der
Zustand des Bodens zuließ. Dort an der hinteren Mauer blieb ich stehen. Minuten
verstrichen. Ein Auto fuhr vorbei, dann ein knatterndes Motorrad. Ich
beobachtete die Tür. Plötzlich wurde sie geöffnet, wieder geschlossen. Vor der
Helligkeit der Straßenbeleuchtung zeichnete sich eine Gestalt im Türrahmen ab.
Dann war alles wieder dunkel.
    „Ich bin hier, Latuit“, rief
ich.
    Ein abgrundtiefer Seufzer:
    „Sie, Burma?“
    „Ja, M’sieur. Hast du endlich
doch noch kapiert, daß ich ohne die dumme Gans mit dir reden wollte?“
    Hatte ihm der Tiervergleich
nicht gefallen? Jedenfalls machte er etwas, womit ich nicht gerechnet hatte.
Ein kurzer Knall. Nicht lauter, als wenn man eine Papiertüte knallen läßt. Der
Revolver spuckte Feuer, zusammen mit einem Geschoß, das für mich bestimmt war.
Mauerwerk bröckelte ab. Bauschutt. Der Geruch von Staub vermischte sich mit dem
von Kordit. Zum Glück hatte ich vorher lautlos die Position gewechselt. Ich
erwiderte das Feuer. Notwehr. Ein dumpfer Klagelaut, dann ein lautes Getöse,
wie ein Erdrutsch. Getroffen. Der Sturz besorgte den Rest. Wie bei Badoux.
    Ich kauerte mich hin. In meiner
Brust klopfte ein hundert Kilo schweres Herz zum Zerspringen. Ich war
schweißgebadet, zitterte am ganzen Körper. Wenn in zehn Minuten nicht
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